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Inselkoller

Inselkoller

Titel: Inselkoller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Pelte
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Aber gut. Sie gehen nach Hause, legen sich hin und trinken,
so viel Sie können, Wasser natürlich. Ich gebe Ihnen Zinkbrausetabletten mit. Davon
nehmen Sie jeden Tag eine. Vorsichtshalber erhalten Sie von mir zudem Paracetamol
500, falls Sie die Schmerzen und das Fieber piesacken. Wo wohnen Sie?«
    »Gleich um die Ecke.«
    »Geben Sie mir die Adresse. Ich schicke jemanden
mit dem Wasser bei Ihnen vorbei. Sie sollten jetzt nicht lange in der Gegend herumlaufen.«
    Nach ihrer Anweisung fühlte sich Jung noch
elender und wie auf dem Gang in eine furchtbare Schlacht. Mit einem letzten Zucken
sträubte er sich gegen das Unabwendbare. Als er in Mendels Apartment angekommen
war, fiel er aufs Bett und blieb dort liegen, bis es an der Tür klingelte. Ein junger
Mann stellte ihm zwei Sechserpacks Aldi-Wasser in die Kochecke. Er wollte ihn bezahlen,
aber der Jüngling winkte ab mit dem Hinweis, dass nach seiner Wiederherstellung
ausreichend Gelegenheit sei, das Finanzielle zu regeln. Er bestellte gute Wünsche
und baldige Genesung von seiner Chefin. Dann ging er.
     
    Jung war hundeelend zumute. Der Hustenreiz und die Schmerzen in der
Brust nahmen zu, seine Haut schmerzte bei Berührung, und er fühlte, wie seine Beine
unter ihm nachgaben. Dazu gesellten sich Kopf- und Gliederschmerzen. Er befolgte
die Anweisungen seiner ›Krankenschwester‹ und trank, so viel er konnte. Er löste
eine Zinktablette in Wasser auf und trank auch das. Er musste dauernd aufs Klo.
Er hatte keinen Appetit. Seine Nase lief nicht mehr, sie war zugeschwollen. Er musste
durch den Mund atmen.
    Das Elend und sein Selbstmitleid übermannten
ihn. Er verfluchte das norddeutsche Wetter. Selbst im Sommer war kein Verlass auf
Wärme und ein bisschen Bequemlichkeit. Scheiße. Wo blieb Enderts Anruf? Hatte der
überhaupt seine Handynummer? Wo war das Handy? War es an? Jungs Kopfschmerz nahm
zu, und er verpasste sich eine 500er-Dröhnung Paracetamol. Dann sank er aufs Bett
wie ein umgepusteter, morscher Baum und dämmerte langsam weg.
    Er erwachte von den Schmerzen in seiner völlig
ausgetrockneten Mund- und Rachenhöhle. Er trank Wasser und schob eine 500er-Dröhnung
hinterher. Bald nickte er wieder ein. Später, er wusste nicht genau, wann, wachte
er wieder auf. Seine trockene Zunge klebte an seinem ausgetrockneten, brennenden
Gaumen. Ihm fiel nichts Besseres ein, als eine weitere 500er-Tablette einzuschmeißen.
Dann sackte er weg in einen Raum, wo die Träume vieler Jahre aufbewahrt lagen, die
sich jetzt auf ihn stürzten, als hätten sie nur darauf gewartet.
     
    Ike Eisenhower war 90 Jahre alt geworden. Er sah gesund und vital aus.
Braun gebrannt stand er vor dem Kapitol, das Gesicht zu einem breiten, offenen Lachen
verzogen, den rechten Arm zum präsidialen Gruß erhoben. Den linken hatte er fürsorglich
unter den rechten Ellenbogen seiner Mamie geschoben. Sie stand zart und zerbrechlich
an seiner Seite und machte nicht den Eindruck, als wüsste sie, was um sie herum
vorging. Ike strahlte mit der Temperatur einer hellen, in die Unendlichkeit verschwindenden
Galaxis.
    Danach betrat Robbie Williams die Szene. Er
zog seine Show auf offener Straße ab. Rechts und links johlten in Griffnähe ekstatisch
aufgeladen seine Fans. Die Frauen riefen ihm Anzüglichkeiten zu. Sie gestikulierten
mit den Händen und forderten ihn auf, zusammen eine Linie durchzuziehen. Als er
ablehnte, entblößte eine die Brüste, ihre Nachbarin zog eine Linie Kokain auf den
provokant vorgestülpten Busen. Wieder andere packten Williams und zwangen ihn, die
Brust sauber zu lecken. Er lächelte tapfer und bemühte sich, seine Show unter Kontrolle
zu bringen. Aber er wurde weitergereicht in die nächste Reihe seiner ekstatischen
Anhängerinnen und von da in die übernächste Reihe. Sein Lächeln entgleiste und machte
einer panischen Mimik Platz, als hätte er die Hölle vor Augen. Warum half ihm denn
keiner? Sahen sie nicht seine Qual und sein Leiden? Schließlich verschwand er, von
Reihe zu Reihe weitergereicht, aus dem Blickfeld. Er ging unter wie ein auf hoher
See über Bord geworfener Kater.
    Kurze Zeit darauf sah sich Jung auf dem Rad
fahren. Er verfolgte eine schöne Frau. Plötzlich fand er sich auf einem schmalen
Balken wieder, der vor ihm hoch über einer tiefen Baugrube endete. Er hatte panische
Angst abzustürzen und Mühe, sein Rad in der Balance zu halten. Auf der anderen Seite
der Grube sah er Bauarbeiter, die ihn beobachteten, ihm zuwinkten und freundlich
lachten, so, als

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