Inseln im All -: Roman (German Edition)
dass man erwartete, sie könnte sich jeden Augenblick in ihre Bestandteile auflösen, aber in Wirklichkeit waren solche Befürchtungen natürlich grundlos. Wir waren zehn Leute an Bord, und in der kleinen Kabine war es ziemlich eng. Als der Raketenmotor eingeschaltet wurde, trieb uns die sanfte Beschleunigung alle langsam zum Heck des Schiffes. Der Schub war allerdings so schwach, dass ich unter dem Andruck nur etwa ein Pfund wog – ganz im Gegensatz zu dem Start von der Erde, wo ich geglaubt hatte, eine ganze Tonne zu wiegen. Nachdem der Raketenmotor etwa eine Minute gearbeitet hatte, wurde er abgeschaltet, und wir trieben den Rest der Strecke frei dahin, bis ein zweiter kurzer Feuerstoß aus den Düsen die »Skylark« abbremste und bei dem Schiff zum Stillstand brachte.
In der »Morning Star« war viel Platz: schließlich hatte sie fünf Männer fast zwei Jahre lang beherbergt. Ihre Namen waren noch immer zu sehen, wo sie in den Lacküberzug der Kontrollkabine eingekratzt worden waren, und beim Anblick dieser Schriften schweiften meine Gedanken fast um hundert Jahre zurück – in jene große Pionierzeit der Weltraumfahrt, wo selbst der Mond noch eine neue, unbekannte Welt gewesen war und noch niemand einen der Planeten erreicht hatte.
Trotz ihres Alters erschienen alle Gegenstände innerhalb der Kontrollkabine noch glänzend und wie neu. Die Instrumententafel hätte, soweit ich das beurteilen kann, ebenso gut zu einem Schiff der Gegenwart gehören können. Tim Benton strich liebevoll darüber.
»So gut wie neu!«, sagte er mit offenbarem Stolz in seiner Stimme. »Ich garantiere dir, dass ich dich damit jederzeit zur Venus fliegen könnte.«
Ich lernte die Kontrollinstrumente der »Morning Star« ziemlich genau kennen. Es war natürlich völlig ungefährlich, an ihnen herumzuspielen; denn die Treibstofftanks waren ja leer, und wenn man zum Beispiel den Knopf mit der Aufschrift »Haupttriebwerk-Feuer!« drückte, dann glühte nur ein rotes Lämpchen auf. Trotzdem war es für mich aufregend, in dem Sessel des Piloten zu sitzen und mit offenen Augen vor mich hinzuträumen, während meine Hände nach den Hebeln und Knöpfen griffen.
Unmittelbar hinter den Haupttreibstofftanks hatten sich die Lehrlinge eine kleine Werkstatt eingerichtet. Hier fertigten sie eine Menge Raumschiffmodelle an, aber es wurde auch ernsthafte Ingenieurarbeit geleistet. Verschiedene Lehrlinge probierten hier Geräte aus, die sie selbst entwickelt hatten. Karl Hasse, unser Mathematikgenie, versuchte irgendein neues Navigationsinstrument zu bauen. Da er es allerdings immer versteckte, sobald jemand in seine Nähe kam, konnte niemand genau sagen, wie es eigentlich damit stand.
Während ich in der »Morning Star« herumkroch, lernte ich mehr über Raumschiffe, als ich jemals aus Büchern oder durch Vorträge erfahren hatte. Freilich war das Schiff fast hundert Jahre alt, aber wenn auch viele Einzelheiten weiterentwickelt worden waren, so hatte sich doch an den Grundprinzipien des Raumschiffbaus wenig geändert. Immer noch brauchte man Pumpen, Treibstofftanks, Luftreinigungsanlagen, Temperaturregler und so weiter. Die einzelnen Geräte mochten sich verändern, aber die Aufgaben, die sie erfüllen mussten, blieben dieselben.
Ich erwarb jedoch keineswegs nur technisches Wissen an Bord der »Morning Star«. Hier schloss ich mein Training im Verhalten bei Schwerelosigkeit ab, und ich lernte es auch, in diesem Zustand der Gewichtslosigkeit körperliche Kämpfe auszufechten. Und damit komme ich auf Ron Jordan zu sprechen.
Ron war der jüngste der Lehrlinge – etwa anderthalb Jahre älter als ich. Er war ein ungestümer blondhaariger Australier; jedenfalls war er in Sydney geboren, wenn er auch den größten Teil seines Lebens in Europa verbracht hatte. Infolgedessen sprach er drei oder vier Sprachen, und manchmal geriet er von der einen in die andere, ohne es zu merken.
Er war ein gutmütiger und stets gutgelaunter Bursche. Er machte immer den Eindruck, als ob er sich niemals ganz an die Schwerelosigkeit gewöhnt hätte und sie immer noch als einen großen Spaß betrachtete. Jedenfalls probierte er immer wieder neue Kunststücke aus. So fertigte er sich zum Beispiel ein Paar Flügel an und versuchte damit zu fliegen. Es gelang ihm freilich nicht besonders gut, aber vielleicht waren die Schwingen nicht richtig konstruiert. Sein überschäumend fröhliches Temperament verwickelte ihn immer in gutmütige Raufereien mit den anderen – und ein Kampf
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