Inseln im All -: Roman (German Edition)
hatten die Lehrlinge eine halbe Stunde Zeit, die sie dem Studium widmen sollten, und ab und zu wurde auch tatsächlich während dieser Zeit gearbeitet. Diese Pausen waren für mich viel nützlicher als der eigentliche Unterricht; denn da erzählten die Jungens meistens von ihrer Arbeit und ihren Erlebnissen im Weltraum. Einige von ihnen waren schon zwei Jahre hier draußen und hatten inzwischen ein paar kurze Reisen zur Erde gemacht.
Natürlich waren manche von den Geschichten, die sie mir erzählten – nun, sagen wir –, leicht übertrieben. Besonders Norman Powell, dieser notorische Witzbold, versuchte mich dauernd auf den Arm zu nehmen. Anfangs fiel ich auch meistens darauf herein, aber später lernte ich es, seine ausgeklügelten Erzählungen mit Vorsicht aufzunehmen.
In der Schwerelosigkeit der Weltraumstation waren außerdem eine ganze Menge interessanter Tricks und mancher Schabernack möglich, die man einem Neuling spielen konnte. Zu einem der besten brauchte man nur ein ganz gewöhnliches Streichholz. Eines Nachmittags waren wir wieder einmal im Klassenzimmer, als Norman sich plötzlich zu mir umdrehte und sagte:
»Weißt du eigentlich, wie man nachprüft, ob die Luft im Zimmer noch atembar ist?«
»Ich vermute, wenn sie nicht mehr atembar ist, wird man das schon schnell genug merken«, antwortete ich.
»Ja, aber nicht rechtzeitig. Wenn es schon so weit ist, dass du nicht mehr atmen kannst, dann würdest du ersticken, ehe du noch etwas dagegen unternehmen könntest. Aber es gibt einen ganz einfachen Test, den man auf der Erde schon seit alten Zeiten durchführt – in Bergwerken und unterirdischen Höhlen. Man hat eine Laterne oder Kerze mit offener Flamme bei sich, und wenn sie ausgeht – nun, dann muss man eben so schnell wie möglich von dort verschwinden.«
Er suchte in seiner Tasche herum und zog eine Schachtel Streichhölzer hervor. Ich war ein wenig überrascht, etwas so Altmodisches an Bord der Station zu sehen.
»Hier drinnen brennt eine Flamme richtig«, fuhr Norman fort. »Aber wenn die Luft schlecht wäre, dann würde sie sofort ausgehen.«
Gedankenverloren riss er ein Streichholz an, und es flammte auf. Ich beugte mich vor, um die Flamme genau zu beobachten. Es war eine sehr seltsame Flamme – nicht lang und spitz zulaufend, sondern kugelrund. Während ich hinschaute, schrumpfte sie zusammen und erlosch.
Es ist seltsam, wie unser Verstand arbeitet. Bis zu diesem Augenblick hatte ich völlig normal geatmet; jetzt aber hatte ich plötzlich das Gefühl, als ob ich ersticken müsste. Ich sah Norman an und sagte nervös:
»Versuch es noch einmal; mit dem Streichholz muss irgendetwas nicht in Ordnung gewesen sein.«
Norman strich ein zweites Streichholz an, und es erlosch ebenso schnell wie das erste.
»Machen wir, dass wir hier hinauskommen«, sagte ich atemlos. »Anscheinend ist die Luftreinigungsanlage verstopft.« Erst dann bemerkte ich, dass die anderen alle grinsten.
»Keine Angst, Roy«, sagte Tim. »Die Lösung des Rätsels ist ganz einfach.« Er nahm Norman die Streichholzschachtel aus der Hand. »Die Luft ist völlig in Ordnung. Aber wenn du es dir näher überlegst, dann wirst du einsehen, dass es hier für eine Flamme ganz unmöglich ist, richtig zu Ende zu brennen. Da es ja hier keine Schwerkraft gibt und jede Materie immer an Ort und Stelle verharrt, wenn man sie nicht bewegt, so kann der Rauch nicht aufsteigen, und die Flamme erstickt an ihren eigenen Verbrennungsprodukten. Wenn das Streichholz weiterbrennen soll, musst du es so machen.«
Er zündete ein neues Streichholz an. Statt es aber ruhig zu halten, bewegte er es langsam durch die Luft. Es ließ eine Rauchspur hinter sich zurück und brannte bis auf einen kleinen Rest ab.
»Die Flamme hat immer wieder frische Luft zugeführt bekommen«, fuhr Tim fort, »und deshalb ist sie diesmal nicht in den Verbrennungsgasen erstickt. Und wenn du meinst, dass das nur ein amüsanter Trick ohne jeden praktischen Wert ist, dann bist du auf dem Holzweg. Dieses Testergebnis bedeutet, dass man die Luft in der Station dauernd in Bewegung halten muss; denn sonst ergeht es uns ebenso wie der Flamme und wir ersticken an der ausgeatmeten Kohlensäure. Norman, nun schalte bitte wieder die Ventilatoren ein, nachdem du deinen kleinen Spaß gehabt hast.«
Spaß oder nicht – es war eine eindrucksvolle Lehre. Aber sie bestärkte mich nur noch mehr in meinem Entschluss, dass ich Norman eines Tages seine Scherze einmal heimzahlen würde. Es
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