Inseln im Netz
Vertraulichkeit.«
»Das ist ein sehr interessanter Vorschlag«, sagte Laura und klopfte mit einem Bleistift auf ihren Schreibtisch, »aber die Entscheidung kann ich nicht von mir aus treffen. Ich werde Ihre Vorstellungen unserem Zentralausschuß vortragen.« Der rauchige Gestank des Patschuli, mit dem Reverend Morgan sich reichlich parfümiert hatte, erfüllte stickig den kleinen Raum. Der Geruch der Tollheit, dachte Laura plötzlich. »Sie müssen verstehen, daß Rizome mit dieser Sache einige Schwierigkeiten haben mag. Rizome legt Wert auf starke Familienbande und gesellschaftliches Engagement ihrer Mitarbeiter. Das ist Teil unserer Firmenphilosophie. Einige unter uns könnten Prostitution als ein Zeichen gesellschaftlichen Verfalls betrachten.«
Die Frau breitete die Hände aus und lächelte. »Ich habe von dieser Firmenpolitik gehört. Sie sind wirtschaftliche Demokraten - das bewundere ich. Als Kirche, Geschäftsunternehmen und politische Bewegung sind auch wir eine Gruppe des neuen Jahrtausends. Aber Rizome kann die Natur des männlichen Tiers nicht ändern. Wir haben bereits mehrere Ihrer männlichen Gesellschafter bedient. Überrascht Sie das?« Sie zuckte die Achseln. »Warum ihre Gesundheit bei Amateuren oder kriminellen Gruppen riskieren? Wir Tempelfrauen sind sicher, verläßlich und wirtschaftlich vernünftig. Die Kirche steht bereit, Geschäfte zu machen.«
Laura wühlte in ihrem Schreibtisch. »Ich möchte Ihnen eine unserer Broschüren geben.«
Reverend Morgan öffnete ihre Handtasche. »Nehmen Sie ein paar von unseren. Ich habe auch ein paar Wahlflugblätter - ich kandidiere für den Stadtrat.«
Laura überflog ein Wahlflugblatt. Es war aufwendig gedruckt. Die Randleiste bestand aus Ankh-Symbolen, Yin-Yangs und Kelchen. Der Text war durchsetzt von Kursivschrift und Worten in Rot, was die Lesbarkeit nicht erleichterte. »Ich sehe, daß Sie eine liberale Drogenpolitik befürworten.«
»Scharfe Drogengesetze sind Werkzeuge patriarchalischer
Unterdrückung.« Reverend Morgan suchte in ihrer Handtasche und brachte eine emaillierte Pillendose zum Vorschein. »Ein paar von diesen werden besser für die Sache sprechen, als ich es kann.« Sie ließ drei rote Kapseln auf die Schreibtischplatte fallen. »Versuchen Sie diese, Mrs. Webster. Als ein Geschenk der Kirche. Verblüffen Sie Ihren Mann.«
»Wie bitte?«
»Erinnern Sie sich des leichtsinnigen Taumels erster Liebe? Des Gefühls, daß die ganze Welt neue Bedeutung gewonnen habe, seinetwegen? Würden Sie das nicht gern wieder erleben? Die meisten Frauen würden. Es ist ein berauschendes Gefühl, nicht wahr? Und dies sind die Mittel dafür.«
Laura starrte auf die Kapseln. »Wollen Sie mir erzählen, das sei eine Art Liebestrank?«
Reverend Morgan rückte in ihrem Autositz. Schwarze Seide raschelte. »Mrs. Webster, bitte verwechseln Sie mich nicht mit einer Hexe. Die Anhängerinnen der Kirche von Wicca sind reaktionär. Nein, diese Kapseln enthalten keinen Liebestrank, nicht im überlieferten Sinne. Sie erzeugen lediglich diesen Sturm der Gefühle - sie können ihn nicht auf irgendwen lenken. Das müssen Sie selbst tun.«
»Das hört sich gefährlich an«, sagte Laura.
»Dann ist es die Art von Gefahr, für die Frauen geboren sind!« sagte Reverend Morgan. »Lesen Sie Liebesromane? Millionen tun es, aus dem gleichen Grund. Oder essen Sie Schokolade? Schokolade ist ein Geschenk für Liebende, und hinter der Tradition gibt es einen Grund. Fragen Sie gelegentlich einen Chemiker über Schokolade und Serotonin-Vorläufer.« Sie berührte ihre Stirn. »Hier oben läuft es auf das gleiche hinaus. Neurochemie.« Sie zeigte auf den Tisch. »In diesen Kapseln ist sie eingefangen. Natürliche Substanzen,
Schöpfungen der Göttin. Teil der weiblichen Seele.«
Irgendwo im Laufe des Vortrags, dachte Laura, hatte sich das Gespräch unvermerkt von der Vernunft abgelöst. Wie wenn man in einem Schlauchboot einschlief und weit draußen auf See erwachte. Vor allem kam es darauf an, nicht in Panik zu geraten. »Sind sie legal?« fragte sie.
Reverend Morgan nahm eine Kapsel mit den lackierten Nägeln und aß sie. »Keine Blutuntersuchung würde irgend etwas zeigen. Sie können wegen der natürlichen Stoffe in Ihrem eigenen Gehirn nicht vor Gericht gestellt werden. Nein, sie sind nicht illegal. Noch nicht. Die Gesetze des Patriarchates hinken hinter den Fortschritten der Chemie her, gelobt sei die Göttin.«
»Ich kann diese Kapseln nicht annehmen«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher