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Inseln im Netz

Titel: Inseln im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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übertrugen. Alles zusammen in einem weltumspannenden Netz verknüpft, einem globalen Nervensystem, einem bis in die letzten Winkel reichenden Daten-Oktopus. Es war viel darüber gesprochen und geschrieben worden, und doch konnte es einem leicht phantastisch und unglaublich erscheinen.
    Sie hatte sich zur Zeit seiner Einrichtung mehr mit dem Netz beschäftigt. Gegenwärtig kam es ihr ungleich bemerkenswerter vor, daß Loretta viel gerader auf ihrem Schoß saß. »Da schau her, Loretta! Wie gerade du den Kopf halten kannst! Ja, es wird schon, du kleines Stupsnäschen...«
    Das Netz hatte viel mit Fernsehen gemeinsam, einem früheren Wunder des Zeitalters. Das Netz glich einem riesenhaften Spiegel. Reflektierte, was ihm gezeigt wurde. Größtenteils menschliche Banalität.
    Laura arbeitete sich einhändig durch ihre e-Mail. Bildschirmkataloge für elektronische Bestellungen. Propaganda für die Stadtratswahl. Spendenaufrufe. Krankenversicherung.
    Sie löschte alles Überflüssige und machte sich an die eigentliche Arbeit. Eine Botschaft von Emily Donato erwartete sie.
    Emily war Lauras wichtigste Nachrichtenquelle, soweit es das Geschehen hinter den Kulissen in Rizomes Zentralausschuß betraf. Emily Donato war Ausschußmitglied in der ersten Wahlperiode, aber ihr Bündnis mit Laura war schon zwölf Jahre alt. Sie hatten sich am College in einem Kurs über internationale Wirtschaftsverflechtung kennengelernt. Ihre gemeinsame Ausbildung hatte ihnen die Freundschaft erleichtert. Laura, ein Diplomatenkind, hatte an der Botschaft in Japan gelebt. Emily hatte ihre Kindheit in den großen Industrieprojekten von Kuwait und Abu Dhabi verbracht. Während ihrer Collegezeit hatten sie im Studentenwohnheim ein gemeinsames Zimmer gehabt.
    Nach der Graduierung hatten sie ihre Berufschancen geprüft und sich beide für Rizome Industries entschieden. Rizome wirkte modern, aufgeschlossen, hatte Ideen. Das Unternehmen war groß genug für ehrgeizige Aufsteiger und locker genug, um nicht alle Initiativen von unten unter den horizontalen Schichten einer starren Hierarchie zu begraben.
    Seitdem waren sie ein Gespann geblieben.
    Laura rief die Botschaft ab, und Emilys Gesicht erschien auf dem Bildschirm. Sie saß hinter ihrem antiken Schreibtisch zu Hause in Atlanta, dem Konzernhauptquartier. Emilys Zuhause war ein Wohnhochhaus im Stadtinnern, eine Zelle in einem massiven modernen Bienenstock aus Keramik und Komposit.
    Gefilterte Luft, gefiltertes Wasser, Korridore wie Straßen, Aufzüge wie vertikale U-Bahnen. Eine auf den Kopf gestellte Stadt in einer überfüllten Welt.
    Natürlich tat Emily alles, um wenigstens in ihrer Wohnung die Tatsache kalter Funktionalität zu leugnen. Überall sah man Schnörkel und massive viktorianische Solidität: Gesimse, Türrahmen, drapierte Vorhänge, weiche Beleuchtung. Die Wand hinter Emily war mit einem Arabeskenmuster tapeziert, Gold auf Braun. Die polierte Massivholzplatte ihres Schreibtisches war so sorgfältig wie eine Bühne bestückt: Schreibunterlage aus grünem Filz, ein glänzender Briefbeschwerer aus Kristall, Tintenfaß mit schrägem Gänsekiel, Schreibschale für Bleistifte aus Achat. Der Datenanschluß mit Drucker stand rechts daneben.
    Emilys graue Rüschenbluse hatte einen matten Perlmuttschimmer. Ihr braunes Haar war zu Zöpfen geflochten, und über beide Schläfen hingen Biedermeier-Ringellocken. Sie trug lange Malachitohrringe, und am Hals eine runde Kamee. Tatsächlich war Emilys Erscheinungsbild sehr zeitgemäß, eine moderne Reaktion auf den nüchternen, erfolgsorientierten Typ, den Generationen von Geschäftsfrauen geprägt hatten. In Lauras Augen war die Mode ein Rückgriff auf den Typ der behüteten Südstaaten-Schönheit aus der Zeit vor dem Sezessionskrieg, bis zum Überströmen angefüllt mit weiblicher Anmut.
    »Ich habe den Rohentwurf des Berichts«, sagte Emily. »Entspricht so ziemlich unseren Erwartungen.«
    Sie zog ein Exemplar des Vierteljahresberichts aus einer Schublade und blätterte darin. »Kommen wir zur Hauptsache. Die Ausschußwahlen. Wir haben zwölf Kandidaten, was ein Witz ist, aber drei Favoriten. Pereira ist ein anständiger Kerl, du könntest mit ihm per Fernschreiber Poker spielen, aber er kann sich von diesem brasilianischen Debakel nicht freimachen. Tanaka konnte mit diesem Bauholzgeschäft einen wirklichen Coup landen. Für einen Konzernangestellten der alten Schule ist er ziemlich flexibel, aber ich traf ihn letztes Jahr in Osaka. Er trank eine Menge

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