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Inseln im Wind

Inseln im Wind

Titel: Inseln im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Santiago
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vor Mitternacht auf. Einige, die im Parrish St. James lebten und es daher nicht allzu weit hatten, traten die Heimfahrt an. Diener leuchteten ihnen mit Laternen den Weg aus. Die Übrigen suchten die vorbereiteten Schlafkammern auf und ließen sich vom Gesinde Nachttöpfe, Waschschüsseln und Getränke für die Nacht bringen. Die Dunmores blieben ebenfalls zum Schlafen.
    Nachdem alle Gäste sich zurückgezogen hatten, trafen Niklas Vandemeer und Felicity sich zum Abschied auf der Veranda, wo sie einander, verborgen von einer der Säulen, leidenschaftlich küssten und umarmten. Martha war schon zu Bett gegangen, Harriet und Anne kümmerten sich um das Wohl der Übernachtungsgäste. Deshalb bekam nur Elizabeth das heimliche Treffen mit. Auf Felicitys Bitte hin hielt sie Wache, damit die beiden Liebenden ungestört blieben.
    Sie lehnte mit dem Rücken an der breiten Doppeltür, die den großen Raum zur Halle hin abgrenzte. Es war dunkel bis auf das flackernde Nachtlicht, das im Durchgang zur Veranda brannte. Um das Haus herum sirrten die Zikaden, und irgendwo schrie ein Nachtvogel. Elizabeth meinte, in der Ferne auch wieder die Trommeln zu hören. Nach einer Weile hörte sie Felicity ein letztes Mal aufschluchzen, dann löste sich Vandemeers kräftige Gestalt aus den nächtlichen Schatten. Seine Silhouette zeichnete sich noch für einige Augenblicke gegen den mondhellen Nachthimmel ab, dann war er in der Dunkelheit verschwunden.
    » Ich habe solche Angst, dass er in den Krieg hineingezogen wird«, flüsterte Felicity Elizabeth unter Tränen zu, während sie beide nach oben schlichen.
    » Bestimmt geht alles gut aus«, sagte Elizabeth, doch es fiel ihr schwer, daran zu glauben.
    Später, als sie und Felicity zu Bett gegangen waren, starrte Elizabeth noch lange in die Dunkelheit der Kammer. Sie hatte in der vergangenen Nacht kaum Schlaf bekommen und hätte todmüde sein müssen, doch ihre Nerven vibrierten. Sie musste sich zwingen, ruhig liegen zu bleiben.
    Ein Kratzen an der Tür scheuchte sie auf, sie war aus dem Bett gesprungen, bevor sie überhaupt darüber nachdenken konnte, wer sie so spät störte. Ihr Herz schlug einen Trommelwirbel, denn sie war davon überzeugt, dass es Duncan war. Sie hatte ihn heute nur kurz gesehen, nach dem Ende der Ratssitzung, aber geredet hatten sie nicht miteinander, er hatte ihr bloß von Weitem zugenickt. Dann waren Niklas Vandemeer und William Noringham auf ihn zugetreten und hatten ihr die Sicht versperrt. Gleich nach der Abstimmung war er verschwunden, doch die Elise lag immer noch in der Bucht vor Anker. Er war zu ihr zurückgekommen! Leise öffnete sie die Tür und schrak zusammen, als sie im Widerschein der auf dem Gang brennenden Nachtleuchte Robert vor sich stehen sah. Er packte sie und zog sie hinaus auf den Flur, wo er sie gegen die Wand drückte und mit beiden Armen umschlang.
    » Robert, hör auf damit!« Sie versuchte, ihn wegzudrücken, doch er war zu stark.
    » Lizzie, ich liebe dich!«
    Entsetzt bemerkte sie, dass er weinte, während er gleichzeitig versuchte, ihr das Hemd auszuziehen.
    » Robert, um Himmels willen, tu das nicht! Du weckst das ganze Haus auf!«
    » Kannst du mich nicht ein bisschen lieben? Bin ich so widerwärtig? Ich bin dein Mann !« Seine Worte kamen abgehackt und nuschelnd, er konnte seine Stimme nicht mehr beherrschen.
    » Robert, lass uns morgen darüber reden!«
    » Lizzie, lass mich …« Seine Hand drängte sich zwischen ihre Beine, was sie so in Wut versetzte, dass sie ihn heftig wegstieß.
    » Ich sagte: morgen! Und jetzt hör endlich auf, du wirst es sonst noch schaffen, deine Mutter aufzuwecken!«
    Sein Griff lockerte sich, es gelang ihr, sich ihm zu entwinden. Irgendwo im Gang öffnete sich eine Tür, und während Robert sich irritiert dem Geräusch zuwandte, nutzte Elizabeth die Gelegenheit und floh in Annes Schlafkammer. Hastig schob sie den Riegel vor und lauschte. Vom Flur her war gedämpftes Gemurmel zu hören, das sie nicht verstehen konnte. Sie atmete tief durch und ging zurück zu ihrem Bett. Aus der Dunkelheit kam Annes flüsternde Stimme.
    » War das dein Mann?«
    » Ja«, sagte Elizabeth leise.
    » Ich wusste nicht, dass es so schlimm ist.«
    Wenn du wüsstest, wie schlimm es ist, dachte Elizabeth. Ihre Gedanken irrten ab, zu Deirdre, die blutend auf dem Boden kniete. Zu dem Mädchen, dass bei der Geburt von Roberts Kind gestorben war. Und dann dachte sie an Duncan, wie sie in seinen Armen lag und unter seinen Küssen verglühte

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