Inseln im Wind
Erbrochenem (als man ihr die Nachricht brachte, hatte sie sich übergeben müssen), dass ihre nackten Füße hornig und gelb und schmutzig waren. Sie saß einfach da und ließ sich von ihrem Entsetzen und ihrer Trauer durchschütteln, als gäbe es außer ihr und dem toten Robert niemanden auf der Welt.
Irgendwann hielt Elizabeth es nicht mehr aus. Sie verließ das Haus und ging nach draußen, um zu hören, ob man schon Neues wusste. Die Mulattin war verschwunden. Keiner der Sklaven und Schuldknechte wollte etwas gesehen oder gehört haben, aber es war klar, dass Celias Verschwinden mit Roberts Tod zusammenhing. Harriet hatte mit großer Entschiedenheit erklärt, dass Celia keiner Menschenseele etwas zuleide tun könne, doch die Tatsachen sprachen für sich. In der Hütte, in der die Mulattin die vergangene Nacht verbracht hatte, war ein blutbeflecktes, zerrissenes Hemd gefunden worden, und darunter ein Ring, der Robert gehört hatte. Es war kein wertvolles Schmuckstück, sondern bunter Tand, mit dem er Frauen beschenkte, auf die er es abgesehen hatte. Er trug immer ein paar Stücke davon bei sich. Elizabeth hatte ihn schon häufiger damit herumklimpern sehen. Einmal hatte er Jonathan sogar ein Armband zum Spielen überlassen, woraufhin sie es dem Kleinen hatte wegnehmen müssen, damit er es nicht in den Mund steckte. Sie war sich bewusst gewesen, warum Robert ständig dieses billige Zeug bei sich trug.
Benjamin Sutton, dem schon häufiger Sklaven weggelaufen waren, hatte sofort Suchtrupps organisiert. Von einer der umliegenden Plantagen hatte er zusätzliche Bluthunde besorgt und gruppenweise Männer ausgeschickt. Harold hatte sich, ohne zu zögern, einem der Trupps angeschlossen. Bei seinem Aufbruch hatte er wie ein Schatten seiner selbst ausgesehen, doch in seinen Augen hatte Elizabeth etwas wahrgenommen, das sie innerlich zu Eis erstarren ließ. Für Roberts Tod, so viel war klar, würde jemand bezahlen müssen.
George Penn hatte sich gemeinsam mit einigen anderen Pflanzern der Aufstellung und Bewaffnung einer Bürgerwehr zugewandt. Für den Fall, dass die geplanten Verhandlungen fehlschlugen, wollte man gerüstet sein. Gefechtsübungen mussten vorbereitet und Einsatzstrategien geplant werden, wie er allen in seiner umständlichen Art erklärt und dabei seine bei Marston Moor erworbenen Kriegserfahrungen hervorgehoben hatte. Die Suche nach der flüchtigen Mörderin, so bedauerlich der Tod des armen jungen Dunmore auch sei, müsse er notgedrungen anderen überlassen. Das Wohl der Insel stehe für ihn an vorderster Stelle, dafür wolle er sich aufopfern bis zum Letzten. Die meisten Gäste, die über Nacht geblieben waren, nutzten die Gelegenheit, um mit ihm zu verschwinden.
Es kam Elizabeth so vor, als sei es Anne ganz recht, dass George sich empfohlen hatte. Bleich und in sich gekehrt saß sie auf der Veranda, eine Stickerei auf den Knien, an der sie jedoch nicht arbeiten konnte, weil ihre Finger zu sehr zitterten. Als Elizabeth zu ihr trat, blickte sie mit umflorten Augen auf.
» Was immer geschehen ist – ich bin sicher, dass Celia keine Schuld trifft!«
Nein, sie trifft keine Schuld, stimmte Elizabeth ihr in Gedanken sofort zu. Die trifft allein mich. Ich hätte ihn nicht fortschicken dürfen. Anne sah, was sie dachte, und schüttelte heftig den Kopf. Zu sagen wagte sie nichts, denn ihre Stiefmutter saß neben ihr. Lady Harriet pflichtete Anne bei.
» Celia ist so ein liebes, gottesfürchtiges Mädchen!«
Ein Traumbild zuckte vor Elizabeths innerem Auge auf. Stampfende Füße, in Mondlicht gebadete Körper, einer davon beschmiert vom Blut eines Tieres. Dann war es wieder weg, und zurück blieb jene eigenartige Verwirrung, mit der sie nichts anfangen konnte. Elizabeth lehnte sich erschöpft an die Säule, hinter der in der vergangenen Nacht Felicity von ihrem Kapitän Abschied genommen hatte. Die Eindhoven war kurz nach Tagesanbruch ausgelaufen, ungefähr um die Zeit, als der Aufseher Robert gefunden hatte. Vandemeer wollte bis zu seiner endgültigen Abreise wie die übrigen holländischen Kauffahrer im Hafen von Bridgetown ankern und noch so viel Ware aufnehmen wie nur möglich.
Vandemeer hatte von dem Mord nichts mehr erfahren, was seinen Aufbruch für Felicity noch schmerzlicher machte, denn sie hätte, wie sie bitterlich schluchzend bekannte, ihn gerade jetzt so sehr gebraucht. Dabei weinte sie keineswegs über Roberts Tod, nicht einmal aus Mitleid mit Elizabeth, von der sie ja wusste, dass ihre
Weitere Kostenlose Bücher