Inseln im Wind
Trauer sich in Grenzen hielt. Ihr Leid nährte sich vielmehr aus dem Wissen, dass Umbrüche bevorstanden, die sich jeder Einflussnahme entzogen. Kurzum, sie hatte furchtbare Angst vor der Zukunft. Schon einmal hatte ein Krieg Felicity alles, was sie liebte, genommen und sie an Leib und Seele geschunden zurückgelassen. Sie hatte sich in Annes Schlafkammer verkrochen, wo sie mit stumpfem Gesichtsausdruck auf dem Hängebett saß. Mit ausgestreckter Hand stieß sie sich immer wieder von der Wand ab und versetzte das Bett damit in schaukelnde Bewegungen.
Irgendwann ließ sich auch Martha von der Totenbahre wegführen und ins Bett verfrachten. Lady Harriet verabreichte ihr einen Trunk, in den sie Laudanum gemischt hatte, worauf Martha bald ruhiger wurde. Lady Harriet blieb bei ihr sitzen und hielt ihr die Hand, bis sie eingeschlafen war. Martha ließ es geschehen. Im Angesicht des Grauens schien ihr Hass auf die Noringhams keine Bedeutung mehr zu haben.
Am frühen Nachmittag kam Duncan Haynes mit seinem ersten Maat John Evers auf die Plantage. Lady Harriet ließ ihnen eine Mahlzeit zubereiten und versorgte sie mit Getränken, während Duncan sich mit William Noringham und Jeremy Winston besprach.
Elizabeth vermied es, zu den Männern hinzusehen, doch sie konnte nicht umhin, Duncans besorgte Seitenblicke zu spüren. Ihr war klar, dass er darauf brannte, mit ihr über das Geschehene zu reden. Doch sie wusste nicht, was sie ihm hätte sagen sollen. Ihre Schuldgefühle wurden übermächtig, wenn sie ihn nur ansah.
Als die Schatten länger wurden, befahl William Noringham seinen Schuldknechten, Roberts Leichnam in ein Tuch zu wickeln und mit dem Wagen nach Bridgetown zur Kirche zu bringen, bevor der Körper anfing zu stinken. Er wollte den Toten nicht länger im Haus haben. Die Aussegnung würde ohnehin am folgenden Tag stattfinden, länger konnte bei dieser Witterung nicht damit gewartet werden.
Kaum war der Wagen davongerumpelt, kehrte einer der Suchtrupps nach Summer Hill zurück, Benjamin Sutton und zwei Schuldknechte, verschwitzt und von Zweigen zerkratzt, die Gesichter rot von der Anstrengung des langen Marsches durch unwegsames Gelände. Die beiden Hunde, die sie mit sich führten, zerrten an den Leinen. Ihre Zungen hingen weit aus dem Maul, die Flanken bebten in der beklemmenden Schwüle. Sutton rief herrisch nach Wasser. Einer der beiden Schuldknechte stieß ein gefesseltes Mädchen vor sich her. Sie hatten Celia gefunden.
Sie sah schrecklich aus, das Gesicht wund und zerschlagen, die Beine von den Hunden blutig gebissen. Als der Schuldknecht sie auf den Platz vor dem Herrenhaus schubste, konnte sie sich nur mühsam torkelnd aufrecht halten. Ihr Haar hing ihr in wirren Locken ums Gesicht, ihre Augen waren vor Angst und Schmerz aufgerissen.
» Ich war es nicht!«, rief sie beschwörend aus. Ihre Stimme klang undeutlich, weil ihr Mund von den Schlägen geschwollen war. Aus ihrer Nase sickerte Blut.
Sutton lachte höhnisch.
» Spar dir deinen Atem zum Schreien, denn da drüben kommt Dunmore.«
Tatsächlich traf gerade auch Harold Dunmore ein, ebenso abgekämpft und verschwitzt wie die beiden anderen Männer seines Suchtrupps. Er rief umgehend den Aufseher der Noringhams herbei.
» Greif dir die Hure und binde sie drüben an den Baum. Und dann schlag sie tot.«
Der Aufseher schluckte hart und blickte sich verunsichert um. Harold Dunmore schritt selbst zur Tat. Er ergriff die Mulattin und schleifte sie an den Haaren zu einer Palme, wo er sie mit geübten Griffen festband. Sie hatte seiner rohen Kraft nichts entgegenzusetzen und sank wimmernd auf die Knie, eng gegen den Stamm der Palme gedrückt, den Körper zusammengekauert.
» Bitte! Ich hab’s doch nicht getan!«
Er zog die Peitsche heraus und ließ sie auf das Mädchen niedersausen. Ihre schrillen Schreie riefen auf der Stelle die Bewohner des Herrenhauses und die noch verbliebenen Gäste auf den Plan. Elizabeth war schneller als die anderen, sie erkannte sofort, was zu tun war. Zu eindringlich stand ihr noch vor Augen, wie er Deirdre geschlagen hatte – es war fast, als fordere das Schicksal sie auf, um jeden Preis zu verhindern, dass es aufs Neue geschah. Ohne zu zögern stürzte sie sich auf ihren Schwiegervater und entwand ihm die Peitsche.
Er reagierte wie ein Rasender – später würde er es damit erklären, gar nicht begriffen zu haben, dass sie es sei, er habe nur einen vermeintlichen Angreifer abwehren wollen.
Laut aufbrüllend schlug er sie
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