Inseln im Wind
wartete, bis die Kutsche sich entfernte, dann ging er ins Haus. Ein Blick auf Elizabeth reichte, um zu sehen, dass sie am Boden zerstört war. Solange sie in dieser Verfassung war, würde er nicht mit ihr reden können. Zudem ließ Anne Noringham sie nicht aus den Augen, und auch William schien nichts anderes zu tun zu haben, als ihr Gesellschaft zu leisten.
Nicht ohne Selbstironie dachte Duncan, dass der Tod ihres Mannes mehr Hindernisse zwischen ihnen aufgerichtet als niedergerissen hatte. Man musste kein besonders guter Beobachter sein, um ihre Schuldgefühle zu bemerken. Gewiss, die meisten würden diese Niedergedrücktheit mit ihrer Trauer in Verbindung bringen, aber damit wäre es vorbei, wenn man sie beide zusammen sähe. Dann wäre es keine große Kunst, bestimmte Schlüsse zu ziehen. Folglich entbot er ihr aus sicherer Entfernung von der offenen Tür aus sein Beileid, und sie dankte ihm mit teilnahmsloser Stimme, ohne ihn dabei anzublicken. Anne stand hinter ihr, sie hatte beide Hände auf Elizabeths Schultern gelegt. Duncan empfahl sich mit einem kurzen Gruß, bevor Anne sich ihre Gedanken machen konnte. William Noringham, wie üblich die Sorgen der ganzen Welt auf seinen Schultern, verabschiedete ihn am Bootsanleger.
» Wir sehen uns sicher bald wieder«, sagte er.
» Spätestens, wenn die Rundköpfe aus allen Rohren feuern«, stimmte Duncan halbherzig scherzend zu.
Ein flüchtiges Lächeln zeigte sich in Williams Mundwinkeln, doch er wurde sofort wieder ernst.
» Der Mord an Robert Dunmore lastet schwer auf Summer Hill. Auf meinem Land ist Blut vergossen worden, ich fühle mich verantwortlich. Meine Hoffnung richtet sich dennoch darauf, dass sich Celias Unschuld herausstellen wird. Sie ist seit frühester Kindheit bei uns und meiner Familie sehr ans Herz gewachsen.«
» Man wird sich bestimmt nicht damit überschlagen, Entlastungsbeweise zu sammeln, nachdem bereits die vorhandenen Indizien samt und sonders gegen sie sprechen«, sagte Duncan frei heraus.
William nickte mit kummervoll gerunzelter Stirn.
» Ich werde selbst noch einmal alle Schuldknechte und Sklaven befragen. Vielleicht hat ja doch einer was gesehen.«
» Geht Ihr zur Bestattung?«
» Natürlich.«
» Besonders gut befreundet wart Ihr aber nicht, oder?« Abwägend betrachtete Duncan William. » Vielmehr schien es mir gestern bei der Versammlung eher so, als herrsche gehörige Zwietracht zwischen Euch und Robert. Ihr habt ordentlich zugeschlagen.«
William zog bedrückt die Schultern hoch.
» Glaubt mir, das ist eine Sache, die ich in höchstem Maße bedaure. Könnte ich es ungeschehen machen, ich täte es sofort.«
» Da das nicht möglich ist, hilft es wenig, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Man kann nicht jedermanns Freund sein.«
» Dennoch geht es mir nahe, dass Robert so jung sterben musste, und vor allem auf diese Weise.«
» Manch einer würde sagen, er hätte es nach diesem Lebenswandel verdient«, sagte Duncan.
» Wer dergleichen sagt, ist kein guter Christenmensch.«
» Sicher nicht«, meinte Duncan ein wenig lakonisch. Etwas ernster fügte er hinzu: » Kann sein, dass es sein Schicksal war. Manches steht schon lange in den Sternen geschrieben, bevor es eintrifft.«
» Ich halte nicht viel von Astrologie.«
» Ich auch nicht«, grinste Duncan. » War eher so eine Redensart. Nennen wir es ruhig göttliche Vorsehung. Das, was die Griechen als Prónoia bezeichnen.«
» Ihr versteht Euch auf das Altgriechische?«, fragte William Noringham überrascht.
» Dachtet Ihr etwa, Freibeuter seien gegen jede Form von Bildung immun?«, fragte Duncan amüsiert zurück.
William errötete. » Nun …«
Duncan erlöste ihn aus seiner Verlegenheit und kam auf Roberts Schicksal zurück.
» Manchmal werden Menschen von einer gewissen Todessehnsucht umgetrieben. Ich glaube, Robert war ein solcher Mensch. Er lebte immer so, als gebe es für ihn kein Morgen. Und irgendwann gab es dann keins mehr.«
» Woher wollt Ihr das wissen? Kanntet Ihr Robert?«
» Nicht wirklich.« Duncan kam in den Sinn, was Robert zu Claire gesagt hatte: Eines Tages nimmt es ein schlimmes Ende mit mir. Ich fühle mich wie eine verglühende Lunte.
William wirkte nachdenklich.
» Wisst Ihr, es könnte stimmen. Dass er Todessehnsucht mit sich herumtrug. Gerade die letzten Jahre war er sehr … unglücklich.«
» Seine Ehe war offenbar nicht die beste.« Duncan traf diese Feststellung mit Bedacht.
William zuckte die Achseln, sein Gesicht verschloss
Weitere Kostenlose Bücher