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Inseln im Wind

Inseln im Wind

Titel: Inseln im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Santiago
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blieb ihr noch. Nur eine Viertelstunde … Sie schloss die Augen und dachte an nichts. Es tat so gut, hier zu liegen, die Abendsonne im Gesicht, den sanften Wind auf der Haut.
    Als sie wieder zu sich kam, war die Sonne untergegangen, und über ihr ragte die Gestalt eines Mannes gegen den dämmerigen Himmel auf. Noch bevor ihr Aufschrei verklungen war, wusste sie, dass ihr keine Gefahr drohte. Dafür war sie umso zorniger.
    » Musst du mich immer so erschrecken?«, fuhr sie ihn an.
    Duncan war mindestens so wütend wie sie.
    » Was glaubst du eigentlich, was du hier tust?«
    Sie krabbelte von dem Felsen und fluchte unterdrückt, als sie sich die Zehen anstieß.
    » Ich habe mich nur einen Augenblick ausgeruht.«
    Die Dämmerung bewies, dass es wohl eher eine Stunde gewesen war. Immerhin konnte sie sich bei Miranda eine Laterne borgen, sie musste sich also nicht bei Finsternis den Weg nach Hause suchen. Doch sie wollte lieber nicht darüber nachdenken, welche Sorgen sich Felicity mittlerweile machen musste. Ganz zu schweigen davon, was für einen Aufstand Harold veranstalten würde, wenn er mitbekam, dass sie nicht zu Hause war. Sie konnte nur hoffen, dass Felicity sie deckte. Andererseits – gerade das konnte sie wohl kaum von ihrer Cousine erwarten. Wahrscheinlicher war, dass sie Zeter und Mordio schrie, weil sie sich wie immer das Schlimmste ausmalte – was in Anbetracht des Sklavenaufstands nicht einmal allzu weit hergeholt war. Duncan sprach aus, was ihr durch den Kopf ging.
    » Du kannst von Glück sagen, wenn sie nicht längst einen Suchtrupp losgeschickt haben.«
    Sie stand bereits neben Pearl und streifte sich Mieder und Kleid über. Mit dem Verschnüren hielt sie sich nicht lange auf, sie zerrte einfach alles notdürftig zurecht, so gut es ging.
    » Wie kommst du überhaupt dazu, mir schon wieder nachzusteigen?« Sie blickte über seine Schulter und sah, dass er ein Pferd dabeihatte. Unerklärliche Wut machte sich in ihr breit, als sie das Reittier erkannte. Es war die Araberstute, die er voriges Jahr im Frachtraum der Elise nach Barbados mitgebracht hatte. Für Claire Dubois.
    Mit Schwung saß sie auf und lenkte Pearl den Abhang hinauf zum Pfad. Duncan sputete sich und folgte ihr. Sie wollte nicht zurückblicken, doch ihre Neugier, ihn im Sattel zu sehen, war stärker. Zu ihrem Verdruss saß er in tadelloser Haltung zu Pferde, er musste in seinem Leben schon viel geritten sein. Das wiederum fand Elizabeth verwunderlich, denn nach allem, was er über seine Kindheit erzählt hatte, war seine Familie bitterarm gewesen. Und später war er zur See gefahren – wo hatte er da das Reiten gelernt? Bei näherem Nachdenken fielen ihr weitere Widersprüche auf. Die Art, wie er sich ausdrückte, seine unzweifelhaft vorhandenen Manieren (wenn er denn geruhte, sie zur Anwendung zu bringen), sein weltgewandtes Auftreten. Er hatte nichts, aber auch gar nichts von einem armen Bauernkind an sich. Sie sagte sich, dass es sie nichts anging und ihr überdies egal war, doch die offenen Fragen nagten an ihr und ließen ihr keine Ruhe. Sie ließ Pearl ein wenig zurückfallen, damit er aufschließen und die Araberstute neben sie lenken konnte. Während sie noch nach einer möglichst unverfänglichen, nicht allzu vertraulichen Formulierung für einen Gesprächsbeginn suchte, kam er ihr zuvor.
    » Lizzie, die Sklaven haben Rainbow Falls niedergebrannt. Sie haben den Aufseher regelrecht abgeschlachtet. Die Felder sind in Flammen aufgegangen, die Hütten und Baracken ebenso. Sie haben das Mahlwerk zerstört und die gesamte Ernte vernichtet.«
    Entsetzt blickte sie ihn an. Sein Gesichtsausdruck war trotz der zunehmenden Dämmerung noch gut zu erkennen. Er wirkte sachlich und konzentriert. Wie jemand, der die Wahrheit sprach, ohne damit besondere Erwartungen zu verbinden. Sie sah sich außerstande, einen klaren Gedanken zu fassen.
    » Woher weißt du das alles?«, war die einzige Frage, die sie herausbrachte.
    » Ein paar Männer vom Suchkommando waren schon zurück und haben es berichtet, ich traf sie in der Stadt. Andere durchkämmen noch die Wälder, unter ihnen dein Schwiegervater. Ich bin so schnell gekommen, wie ich konnte.«
    » Warum?«, fragte sie. » Ich meine, warum beeilst du dich so, mir das alles zu erzählen?« Misstrauisch fügte sie hinzu: » Wenn du dir einbildest, ich würde …«
    Grob schnitt er ihr das Wort ab.
    » Verdammt, Lizzie, allmählich bin ich es leid! Als hätte ich nichts anderes im Sinn, als dir unter

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