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Inseln im Wind

Inseln im Wind

Titel: Inseln im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Santiago
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und sah sie oben auf der umlaufenden Brüstung der Loggia stehen. Sie hatte den Kleinen auf dem Arm. Besorgt schaute sie zu ihm herunter.
    » Was ist geschehen?«, rief sie.
    » Negeraufstand«, antwortete er knapp.
    Ihr Mund formte sich zu einem erschrockenen Oh, dann trat sie in die Schatten der Loggia zurück, vermutlich, um es sofort ihrer Cousine zu erzählen.
    Die ersten Pflanzer trafen ein, begleitet von ihren Schuldknechten. Jeremy Winston war unter ihnen, er hatte einen kleinen Trupp bewaffneter Soldaten mobilisiert, Überreste einer Einheit, die er bei seinem Amtsantritt aufgestellt hatte, um das königliche Eigentum vor den Spaniern zu schützen. Auch George Penn war mitgekommen. Er lebte nicht in Bridgetown, sondern auf seiner Plantage im Norden, weil er eher Bauer als Städter war, doch da er gerade dabei war, eine Bürgerwehr zur Verteidigung der Insel gegen die Rundköpfe zu mobilisieren, hielt er sich seit dem Vortag in Bridgetown auf. Die zwischenzeitlich von ihm rekrutierten Männer hatte er gleich zur Verstärkung mitgebracht. Mit dieser Truppe sollten sie der Schwarzen schon Herr werden. Harold ließ seinen Apfelschimmel satteln, und gleich darauf wurde das Zeichen zum Aufbruch gegeben. Während er mit den anderen aus dem Hof ritt, sah er noch einmal zurück. Elizabeth und Felicity standen oben hinter der Brüstung der Loggia und schauten ihm nach.
    Elizabeth machte sich Sorgen, doch es hätte schlimmer sein können – wenigstens waren die Noringhams nicht in Gefahr. Sie waren nach der Beisetzung nicht nach Summer Hill zurückgekehrt, sondern hielten sich noch in der Stadt auf, um sich im Gefängnis nach Celias Befinden zu erkundigen und anschließend eine befreundete Familie zu besuchen. Elizabeth schickte eines der Dienstmädchen mit einer Nachricht dorthin, damit sie gewarnt waren.
    Jonathan saß auf einer Matte in ihrer Kammer und spielte mit seinem Hampelmann. Er wurde nicht müde, der hölzernen Gestalt Arme und Beine hochschnellen zu lassen. » Hampelmann«, sagte er laut und fehlerfrei. Er strahlte sie an. Elizabeth zwang sich, sein Lächeln zu erwidern. Sie war froh, dass er allem Anschein nach die schlimmen Eindrücke von der Beerdigung bereits verwunden hatte.
    Nicht so Felicity. Sie lag auf ihrem Bett und starrte deprimiert an die Decke. Noch lag die Eindhoven in der Carlisle Bay vor Anker, aber damit würde es bald vorbei sein. Felicity erklärte, sie wisse nicht, wovor sie sich mehr ängstige – davor, dass Niklas Vandemeer davonsegeln könnte, ohne ihr Lebewohl zu sagen, oder davor, dass er in die Reichweite englischer Kanonen geriet. Es waren bereits erste Gerüchte im Umlauf, wonach die britische Parlamentsflotte begonnen hatte, holländische Schiffe aufzubringen. Unter den Trauergästen war jemand gewesen, der es von einem Seefahrer gehört haben wollte, welcher wiederum gestern erst eingetroffen sei und berichtet habe, dass die Rundköpfe ein holländisches Sklavenschiff versenkt hätten, mit zweihundert Menschen an Bord. Alle seien bis auf den letzten Mann ertrunken.
    Der Kleine war müde, er fing an zu quengeln. Elizabeth nahm ihn hoch und wiegte ihn in ihren Armen, bis er eingeschlafen war. Sie legte ihn in sein Bettchen. Anschließend ging sie mit vor der Brust verschränkten Armen umher, rastlos, fast gehetzt. Ihr Bewegungsdrang wurde schließlich übermächtig.
    » Ich reite aus«, sagte sie zu Felicity, die mittlerweile mit geschlossenen Augen vor sich hindöste.
    Ihre Cousine schrak hoch.
    » Das kannst du nicht tun! Du hast heute deinen Mann unter die Erde gebracht.«
    Elizabeth hob trotzig den Kopf.
    » Er kommt nicht wieder, wenn ich zu Hause hocke.«
    » Tu es nicht! Du könntest den aufständischen Sklaven in die Hände fallen!«
    Doch Elizabeth legte bereits ihre Reitkleidung an. Immerhin hüllte sie sich aus Rücksicht auf ihren Witwenstand in einen dünnen schwarzen Umhang mit angenähter Kapuze. Sobald sie die Stadt weit genug hinter sich gelassen hatte, würde sie ihn abnehmen und in die Satteltasche stopfen.
    Als sie auf dem Weg nach unten an Marthas und Harolds Schlafgemach vorbeikam, schrak sie zusammen, denn plötzlich tat sich die Tür auf, und Martha stand vor ihr. Ihre Schwiegermutter sah furchtbar aus. Die Augen tief eingesunken in dem vom Weinen geschwollenen Gesicht, das Haar eine wirre graue Masse, das schwarze Kleid, das sie nach der Beisetzung noch nicht abgelegt hatte, zerdrückt und befleckt. Sie roch scharf nach altem Schweiß und Schnaps.

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