Inseln im Wind
die Röcke zu gehen!« Er hielt kurz inne und besann sich. » Nun ja, es wäre wohl gelogen, das völlig auszuschließen, aber in diesem Fall sind meine Motive absolut edel. Ich hab mir Sorgen gemacht. Schließlich ist auf der Insel gerade der Teufel los.« Sein Tonfall war spöttisch – das war wieder der Duncan, wie sie ihn kannte. Doch sie spürte auch, dass er es ehrlich meinte.
» Woher wusstest du, wo du mich suchen musst?«
» Das wusste ich nicht. Deine teure Cousine hat es mir erzählt. Als sie merkte, dass du nicht zurückkommst, hat sie herumgefragt, in welche Richtung du geritten bist. Dann ist sie zum Hafen gerannt, hat sich zur Elise übersetzen lassen und mir erklärt, ich müsse dich gefälligst sofort suchen, sonst würdest du gewiss den aufständischen Sklaven zum Opfer fallen.«
» Oh«, sagte Elizabeth wenig geistreich. Sie hatte mit allem Möglichen gerechnet, aber nicht damit, dass Felicity das Problem auf diese Weise angehen würde.
» Ihr Wunsch war mir Befehl. Ich habe mir ein Pferd geborgt und bin sofort losgeprescht. Schließlich entdeckte ich Pearl und gleich darauf dich selbst, wie eine träumende Nixe, die sich aus dem Meer an Land verirrt hat.«
» Ich hätte nicht einschlafen sollen«, räumte sie widerwillig ein.
Duncan blickte sie scharf an.
» Weiß deine Cousine über uns Bescheid?«
Elizabeth merkte, wie sie errötete, und war froh, dass er es bei diesen Lichtverhältnissen nicht sehen konnte.
» Wir sprechen nicht über dich. Das erste Mal, damals vor meiner Hochzeit, hat sie es mitgekriegt. Sie hat gemerkt, dass ich in dich … Dass es passiert war. Und dann auf dem Schiff … Ja, ich glaube, das hat sie auch gemerkt, obwohl wir nie darüber gesprochen haben. Aber das letzte Mal, die Nacht am Strand – nein, ich denke nicht, dass sie das mitbekommen hat.« Sie schüttelte den Kopf, als wolle sie sich selbst beteuern, dass es so war, doch sie merkte, dass sie sich dessen nicht sicher sein konnte. Schon gar nicht angesichts der Tatsache, dass Felicity offenbar die einzige naheliegende Suchmaßnahme darin gesehen hatte, Duncan Haynes in Marsch zu setzen. » Selbst wenn sie es wüsste«, hob Elizabeth hervor, » so gibt es darüber nichts mehr zu sagen, denn das mit uns beiden ist ein für alle Mal vorbei.« Verärgert fügte sie hinzu: » Sie hätte dich gar nicht erst fragen dürfen.«
» Oh, das hatte sie ursprünglich auch gar nicht vor«, sagte Duncan mit schwacher Belustigung in der Stimme. » Anfangs wollte sie Niklas einspannen. Zu diesem Zweck ließ sie sich nämlich zunächst zur Eindhoven übersetzen. Wo man ihr sagte, dass der gute Niklas zum Dinner auf der Elise weilte. Was sie augenblicklich zum Anlass nahm, sich dorthin zu begeben und die Suche spontan mir zu übertragen. Offenbar fand sie, ich sei dafür besser geeignet.«
» Bilde dir bloß nichts ein. Zweifellos wollte sie lediglich die näheren Implikationen meines Verschwindens mit Kapitän Vandemeer unter vier Augen besprechen.«
Duncan warf den Kopf in den Nacken und lachte dröhnend, und Elizabeth, gegen ihren Willen von seiner Heiterkeit angesteckt, konnte ein leises Kichern nicht unterdrücken. Doch sofort hielt sie erschrocken inne. Wie konnte sie lachen, nachdem erst vorletzte Nacht Robert gestorben war! Die Erde auf seinem Grab war noch nicht trocken, und sie ritt hier mit ihrem früheren Liebhaber durch die Dämmerung und erfreute sich an seinen Scherzen. Ihr Stimmungsumschwung war so heftig, dass ihr die Tränen kamen, Tränen der Wut und des Selbsthasses.
» Hör auf damit!«, schrie sie Duncan an. Im nächsten Augenblick begann sie zu schluchzen. Der Kummer brach so unvermittelt und mit solcher Urgewalt aus ihr heraus, dass sie am ganzen Körper zitterte. Von plötzlicher Schwäche erfasst, konnte sie sich kaum noch im Sattel halten. Sie merkte kaum, dass Duncan absaß und sie vom Pferd hob. Sie weinte ihr Elend heraus, während er sie mit beiden Armen umschlang und tröstend an sich drückte.
» Er ist tot«, schluchzte sie. » Robert ist tot!«
An seinem Grab hatte sie keine Tränen vergießen können, doch dafür flossen sie nun im Übermaß. Duncan hielt sie umfangen und legte seine Wange gegen ihre Schläfe.
» Es ist alles meine Schuld!«, sagte sie weinend.
» Unsinn.«
» Doch. Ich hätte ihn nicht zurückweisen dürfen! Hätte ich nur …«
» Nicht, Lizzie«, unterbrach Duncan sie.
» Wenn es aber doch stimmt! In der Nacht, als er … Er kam zu mir und wollte … Und
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