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Inseln im Wind

Inseln im Wind

Titel: Inseln im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Santiago
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dass es Euch wie der denkbar schlechteste Zeitpunkt scheinen muss.« Er schluckte und betrachtete sie. In ihrem schlichten, dunkel eingefärbten Musselinkleid und dem offenen Haar war sie so hübsch und über alle Maßen begehrenswert, dass er Angst vor seiner eigenen Courage bekam. Er liebte sie, seit er sie das erste Mal gesehen hatte, vor fast drei Jahren, als sie auf die Eindhoven gestiegen war, um mit den Dunmores in die Neue Welt zu fahren. Mit einem Mal fühlte er sich jämmerlich unzulänglich und stellte sich bang die Frage, ob er ihrer überhaupt wert war.
    » Der arme Robert ist noch nicht lange tot«, fuhr er tapfer fort, und als er sah, wie sie mit schmerzlicher Miene zusammenzuckte, verfluchte er sich für seine unsensible Herangehensweise. » Verzeiht«, entfuhr es ihm, und in seiner Aufregung drückte er ihre Hände fester. » Aber ich muss Euch einfach jetzt schon fragen!«
    » Was denn?«, fragte sie. Schwache Röte stieg in ihre gebräunten Wangen, was sie noch bezaubernder aussehen ließ. » Wollt Ihr mir etwa einen Antrag machen, William?«
    » Oh, nein«, stieß er hervor. » Das wäre … rücksichtslos und verfrüht. Wie könnte ich … Ihr seid doch gerade erst Witwe geworden … noch in tiefer Trauer …« Er hielt inne und sammelte sich, erschrocken über sein hilfloses Gestotter. Tief durchatmend begann er von vorn. » Ich möchte Euch nur um etwas bitten, Elizabeth. Nach einer angemessenen Trauerzeit hätte ich gern Eure Erlaubnis, um Euch werben zu dürfen.« Hoffnungsvoll blickte er sie an, suchte in ihrem verblüfften Gesicht nach einem Zeichen der Zustimmung, doch unversehens wandelte sich ihre Miene und drückte blankes Entsetzen aus.
    » Nicht!«, schrie sie, und William zuckte zusammen, weil er ihren Ausruf auf sich bezog, doch dann gewahrte er, dass sie über seine Schulter blickte. Im nächsten Moment krachte ein Schuss, und William spürte den harten Schlag am linken Arm. Elizabeth schrie auf, während er selbst herumfuhr und den Schützen in der doppelflügeligen Tür der Halle stehen sah.
    Es war Harold Dunmore.
    Elizabeth spürte immer noch den heißen Luftzug, mit dem die Kugel an ihr vorbeigezischt war.
    Schockiert blickte sie ihren Schwiegervater an. Seine Kleidung starrte vor Dreck, seine Stiefel waren verschlammt, sein Gesicht sonnenverbrannt, der Bart ein einziges wucherndes Gestrüpp. Er sah aus, als hätte er wochenlang im Dschungel kampiert, was vermutlich auch in etwa den Tatsachen entsprach. In der Rechten hielt er die rauchende Pistole, mit der Linken zückte er den Pulverbeutel, um nachzuladen. Doch William hatte bereits seine eigene Pistole gezogen und Harold anvisiert.
    » Tut das besser nicht«, sagte er.
    An seinem linken Oberarm breitete sich ein Blutfleck aus.
    » Ihr seid verletzt!«, rief Elizabeth.
    » Nur ein Streifschuss.« Zu Harold sagte er: » Das, was ich mit Lady Elizabeth zu besprechen habe, geht nur sie und mich etwas an. Dennoch war es nicht korrekt von mir, in Eurer Abwesenheit hier zu erscheinen. Es kommt fast dem gleich, was Ihr Euch neulich mir gegenüber herausnahmt, indem Ihr ungefragt mein Land betreten habt. Das bedaure ich sehr und stehe Euch, sofern Ihr Satisfaktion wünscht, jederzeit dafür zur Verfügung.« Er verneigte sich knapp, als wolle er seinen Worten Nachdruck verleihen. » Doch wenn Ihr diese Pistole jetzt ladet und noch einmal auf mich schießt, wird meine Kugel Euch vorher treffen, seid dessen versichert.« Er ging zu Harold, die Pistole auf ihn gerichtet, und schlug ihm den Pulverbeutel aus der Hand. Als Nächstes zog er ihm die Peitsche aus dem Gürtel. » Nur zur Vorsicht, denn ich weiß, was für ein Hitzkopf Ihr seid.«
    Harold starrte ihn an, das Gesicht unter dem wild wachsenden Bart bleich wie Kreide. Elizabeth sah, wie seine Hände bebten. Doch auch William zitterte, wenngleich seine Stimme so gelassen klang, als sei er die Ruhe selbst. Rückwärtsgehend entfernte er sich in Richtung Pforte.
    » Für eine ehrenvolle Auseinandersetzung mögt Ihr mir Eure Sekundanten schicken, Mister Dunmore. Mylady.« Mit einer letzten Verbeugung verschwand er nach draußen, und gleich darauf war das Hufgeklapper seines Pferdes zu hören.
    Elizabeth schlang fröstelnd die Arme um ihren Oberkörper. Hätte sie nur ein wenig weiter rechts gestanden, wäre ihr das Geschoss in die Brust gedrungen. Während sie immer noch um Fassung rang, kam Harold auf sie zu und packte sie hart am Arm.
    » Was soll das?«, protestierte sie

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