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Inseln im Wind

Inseln im Wind

Titel: Inseln im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Santiago
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während er schlitternd zum Stehen kam.
    » Wer kommt, um alles in der Welt?«, rief Benjamin Sutton. » Etwa Soldaten?«
    » Das weiß ich nicht«, sagte der Mann betroffen.
    » Wie viele Boote hast du gesehen?«, fuhr ihn Sutton an.
    Der Mann nahm den Hut ab und drückte ihn gegen die Brust.
    » Bloß eins«, sagte er. » Es sitzen drei Männer drin.«
    Allgemeines Aufatmen. Noch wurden keine Truppen an Land gesetzt.
    » Einer von denen hält eine weiße Fahne hoch«, fügte der Bote hinzu, womit auch die letzten Zweifel ausgeräumt waren: Sie schickten Unterhändler an Land.
    Aufgeregt debattierend begaben sich die anwesenden Ratsmitglieder in Richtung Anlegestelle, wo sie sich in allerlei Mutmaßungen ergingen und auf das Eintreffen der Schaluppe warteten, die von zwei Matrosen gerudert wurde. Das Segel war bereits eingerollt, das Boot kam näher, einer der Matrosen warf eine Leine aus. Der Offizier mit der weißen Flagge stieg auf den Kai und blickte sich um, bis er die Gruppe der Honoratioren sah, die zweifellos bereits auf seine Ankunft gewartet hatten. Anstatt auf sie zuzugehen, blieb er jedoch in hochmütiger Attitüde stehen, worauf unter den Pflanzern zunächst irritiertes Getuschel einsetzte, bis Jeremy Winston seinem Neffen Eugene befahl, den Neuankömmling im Namen des House of Burgesses auf Barbados willkommen zu heißen. Eugene, ein dicklicher junger Mann, der durch einen spärlich wachsenden Spitzbart vergeblich versuchte, von seinen rosigen Pausbacken abzulenken, schien mit diesem Ansinnen überfordert zu sein, doch schließlich riss er sich zusammen, ging zu dem Parlamentär hinüber und sprach ein paar Worte mit ihm. Zwischendurch zeigte er auf Jeremy Winston, der daraufhin freundlich lächelte und winkte. Der Offizier nickte knapp, dann drückte er Winstons Neffen ein zusammengerolltes Dokument in die Hand und stieg anschließend zum Erstaunen aller Anwesenden wieder in die Schaluppe. Die Leine wurde losgemacht, die Riemen ausgelegt, und schon entfernte sich das Boot wieder in Richtung der vor der Bucht ankernden Flotte. Das Segel wurde gehisst, die Schaluppe nahm Fahrt auf und war bald darauf nur noch ein weißer Fleck auf der türkisblauen See. Eugene kam mit dem Dokument zum Gouverneur gerannt, der es umständlich entrollte, mit weit ausgestreckter Hand von sich weg hielt und es mit verengten Augen betrachtete.
    » Was steht drin?«, wollte Benjamin Sutton wissen.
    » Ich kann es schlecht lesen, die Sonne blendet mich«, erwiderte der Gouverneur und reichte Sutton die Urkunde.
    » Ich erkenne das Siegel«, sagte dieser. » Und die Unterschrift stammt von Admiral Ayscue, dem Flottenkommandanten persönlich.«
    Ehrfürchtiges Gemurmel war zu hören, der Name war allen ein Begriff. Mehr konnte Sutton allerdings auch nicht lesen, denn er hatte ebenfalls Schwierigkeiten mit der Sonne. Sein Arm wurde bei dem Versuch, das Dokument zu entziffern, immer länger. Dafür hatte Duncan Haynes, der alles verfolgt hatte und Sutton über die Schulter blickte, ausgezeichnete Augen. Er las den Text laut vor. Daraufhin folgte zunächst allseitiges Schweigen, bevor ein Sturm der Entrüstung losbrach.
    George Ayscue, seines Zeichens Admiral der Parlamentsflotte, stellte Forderungen, die man nur als beispiellosen Affront bezeichnen konnte. Er verlangte nicht mehr und nicht weniger als die bedingungslose Unterwerfung. Der Rat sei ab sofort sämtlicher Aufgaben und Kompetenzen enthoben. Ihm fehle jegliche Legitimation, folglich sei er als nicht existent zu betrachten. Fortan werde die Insel direkt vom Parlament in London aus regiert. Nur jene, die bereit seien, sich kampflos zu ergeben, sollten straflos ausgehen, alle anderen hätten mit drastischen Konsequenzen zu rechnen.
    » Das ist ungeheuerlich!«, brüllte Sutton.
    » Empörend!«, stimmte der Gouverneur zu.
    Ergänzt wurde das Pamphlet durch den angefügten Gesetzestext der Navigationsakte, wonach nicht nur der Handel mit allen Nationen außer England verboten war, sondern auch alle Frachtkontingente, Abnahmepreise und Handelsspannen allein von den Behörden des Unterhauses zu bestimmen seien.
    Aufgebrachte Rufe flogen hin und her, manche Faust wurde wütend in den Himmel gereckt, der sich mit grauen Regenwolken zugezogen hatte – passend zu der aufgepeitschten Stimmung, die sich schlagartig unter den Ratsmitgliedern ausgebreitet hatte. Gleich darauf prasselten die ersten Schauer nieder. Die Männer schafften es gerade noch, trockenen Hauptes zurück ins

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