Inseln im Wind
erschrocken.
» Das wirst du gleich sehen«, sagte er mit vor Wut siedender Stimme. » Ich werde verhindern, dass du mit diesem Kerl weiterhin Süßholz raspelst, während ich mich Tag und Nacht abschufte, um alles wieder auf Vordermann zu bringen!«
» Da war überhaupt nichts!« Sie stemmte die Fersen in den Boden und wehrte sich gegen seinen rüden Griff, doch er zerrte sie mühelos mit sich zur Treppe und dann die Stufen hinauf. » Er wollte nur freundlich sein!«
Harold lachte kalt.
» Freundlich, fürwahr. Ich habe genau gehört, was er gesagt hat.«
» Hättest du noch etwas länger gewartet, hättest du auch hören können, was ich gesagt hätte!« Sie versuchte, sich seinem Griff zu entwinden, doch er hielt sie unerbittlich fest. » Keinesfalls hatte ich im Sinn, ihm meine Gunst zu gewähren!«, rief sie.
» Du hast doch die ganze Zeit nur darauf gewartet, dass er Roberts Platz einnimmt! Von Anfang an hatte dieser Schnösel nichts anderes zu tun, als um dich herumzuscharwenzeln!« Seine Stimme nahm einen bedrohlichen Unterton an. » Wer weiß, vielleicht wurde Robert ja nicht von dieser Mulattin, sondern von Noringham erschlagen. Weil der Kerl dich für sich wollte!«
» Das ist doch Irrsinn!«, sagte Elizabeth entgeistert.
Er zerrte sie die Galerie entlang in Richtung der Schlafkammern. Auf dem Gang stand Felicity, sie hielt Jonathan im Arm und blickte ihnen verängstigt entgegen.
» Ich habe einen Schuss gehört und dachte, es seien Räuber, ich wollte mich mit dem Kleinen verstecken, aber dann hörte ich eure Stimmen … Du lieber Himmel, was ist denn geschehen, Lizzie? Harold, was tust du da?«
Harold ignorierte ihr konfuses Geplapper, zog Elizabeth weiter mit sich und stieß sie in ihre Schlafkammer. Felicity folgte ihnen. Harold wandte sich zu ihr um, und mit raschem Zugriff packte er das Kind und riss es ihr aus den Armen. Felicity schrie auf und wollte Jonathan festhalten, doch er stieß ihre Hände beiseite, fasste ihr grob ins Haar und zerrte sie zu sich heran, um sie im nächsten Augenblick ebenfalls in die Kammer zu stoßen und von außen den Schlüssel herumzudrehen.
» Ihr sollt eine Weile Zeit zum Nachdenken haben, was mit schamlosen Frauenzimmern passiert, wenn sie ihre Triebe nicht im Zaum halten!«, schrie er durch die verschlossene Tür. Seine grobe Stimme wurde von Jonathans erschrockenem Weinen übertönt.
Elizabeth schlug mit beiden Fäusten von innen gegen das Holz.
» Mach sofort auf! Gib mir Johnny zurück! Was hast du mit ihm vor?«
» Keine Sorge, um ihn kümmere ich mich schon. Er ist ein Dunmore, aber er muss auch lernen, dass man dafür Opfer bringen muss. Genau wie du.«
Die Frauen hörten, wie seine Schritte sich entfernten. Elizabeth schrie und schluchzte und trommelte wie von Sinnen gegen die Tür. Dann prallte sie zurück, denn unvermittelt war seine Stimme wieder zu hören, keine zwei Handbreit vor ihr. Er war zurückgekehrt! Sie wollte schon erleichtert aufatmen, doch seine nächsten Worte ließen sie erstarren.
» Wenn ihr versucht, nach hinten raus zu verschwinden, geschieht dem Kind was.«
Gleich darauf entfernte er sich wieder. Voller Panik blickten die Frauen einander an. Felicity hatte beide Hände vor den Mund gepresst, ihr Gesicht war kalkweiß. Kopflos rannte Elizabeth im Zimmer umher, hin und her gerissen zwischen dem Drang, Harolds Warnung zu missachten und ihm über die Loggia zu folgen, und der schrecklichen Angst, er könne seine Drohung wahr machen und dem Kleinen etwas antun. Während sie zauderte, verdunkelten sich unerwartet die Lichtschlitze im Fensterladen, und es setzte hallendes Gehämmer ein. Harold vernagelte ihren einzigen Fluchtweg von außen mit Brettern.
» Allmächtiger!«, schrie Felicity. » Was macht er denn da?«
» Harold, um Gottes willen, tu das nicht!«, flehte Elizabeth. Sie wiederholte es wieder und wieder, bat ihn schluchzend, sie herauszulassen, doch es kam keine Antwort. Mit fliegendem Atem stand Elizabeth dort und lauschte dem Hämmern, das mit erbarmungsloser Endgültigkeit ein furchtbares Schicksal zu besiegeln schien.
42
U nterdessen fand das lähmende Warten im Versammlungshaus ein Ende. Ein Bote kam angelaufen, in Schweiß gebadet, den Hut mit beiden Händen festhaltend.
» Sie kommen!«, brüllte er, während er durch die Tür in den niedrigen, von Tabakrauch erfüllten Saal gestürzt kam, wo die Ratsmitglieder ihrer Nervosität kaum noch Herr wurden.
» Sie kommen!«, wiederholte der Mann atemlos,
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