Inseln im Wind
was wiederum dem Begleiter der Frau nicht gefiel. Gleich darauf war eine wilde Keilerei im Gange. Elizabeth hörte das fleischige Knirschen, mit dem eine Nase brach, unseligerweise die der Frau, die zufällig zwischen die Fronten geraten war. Blut tropfte ihr über das Kinn und benetzte die Brust, die an allem schuld war.
» Oh, mein Gott!«, sagte Elizabeth bestürzt. » Müssen wir ihr nicht helfen?«
Claire schüttelte gleichmütig den Kopf.
» Sie ist keine von meinen Mädels. Die passen besser auf ihre Nasen und Titten auf.« Mit knapper Geste bedeutete sie dem riesenhaften Franzosen, in die Schänke zurückzugehen. Zu Elizabeth sagte sie: » Kommt.«
Elizabeth folgte ihr an den Raufbolden vorbei, durch eine winzige Gasse zur Rückseite des Gebäudes und von dort eine Stiege hinauf ins Dachgeschoss, wo Claire eine Tür aufschloss, zu einem Gemach, das Elizabeth den Atem stocken ließ. Die Wände des von allerlei Plunder überquellenden Raums waren mit rotem Samt verhängt, die Holzbohlen des Fußbodens mit schweren Orientteppichen bedeckt. Auf einem Bord standen aufgereiht verschnörkelte Kerzenleuchter und lackierte Schmuckkistchen, neben geschnitzten Gestalten, die nur auf den ersten Blick wie kniende Heiligenfiguren aussahen. Bilder mit weiteren anstößigen Szenen hingen an den Wänden. Auf einem trieben es mehrere Frauen auf alle nur erdenklichen Arten mit einem Mann, dem das sichtlich behagte. Doch all das war nichts gegen das wohl gewaltigste Bett, das Elizabeth je gesehen hatte. Es war fast so groß wie das ganze Zimmer. Unwillkürlich fragte sie sich, wie man es überhaupt die schmale Stiege hatte heraufschaffen können, aber dann wurde ihr klar, dass man es erst hier oben zusammengebaut hatte. Sprachlos betrachtete sie den Baldachin mit der umlaufenden Bordüre und den goldenen Troddeln, die seidenen Kissenberge auf der Matratze, und unwillkürlich fragte sie sich, ob Duncan hier … – Ja, natürlich. Wo sonst?
Von unten drang das Singen und Grölen der betrunkenen Gäste aus der Schänke herauf, es war so laut, dass es die Bodendielen zum Vibrieren brachte. Am liebsten wäre sie geflüchtet, so weit weg wie nur möglich, doch sie wusste nicht, wohin. Die Französin hatte eine weitere Tür geöffnet.
» Kommt hier herein«, sagte sie.
Überrascht folgte Elizabeth ihr in das benachbarte Zimmer, das nicht das Geringste mit dem Nebenraum gemeinsam hatte. Ein schmales, mit weißen Laken bezogenes Bett stand an der Wand, neben einem Schreibpult mit Papier, Feder und Tintenfass. Ein schlicht gezimmerter Lehnstuhl und eine Kleidertruhe rundeten das Bild ab. Der einzige Luxus in der Kammer waren eine kleine Standuhr in der Ecke und ein eleganter Schminktisch mit allerlei Utensilien wie Schildpattkämmen, schmucksteinbesetzten Haarspangen, geschliffenen Parfümflakons und diversen Tiegelchen. Ein schwacher Duft hing in der Luft, nach Lavendelseife und frisch geplätteter Wäsche. Zögernd setzte Elizabeth sich auf den angebotenen Stuhl, während Claire abwartend neben der Tür stehen blieb.
» Kann ich Euch eine Erfrischung bringen lassen?«, fragte die Französin höflich.
Stumm schüttelte Elizabeth den Kopf, besann sich dann aber auf ihre gute Erziehung.
» Nein, danke«, sagte sie rasch.
» Wo ist Felicity?«, wollte Claire wissen.
» Sie wartet in Dunmore Hall.« Elizabeth ließ unerwähnt, welche Überwindung es Felicity gekostet hatte, dort zu bleiben. Marthas Leichnam im Obergeschoss, die Angst, dass der Mörder zurückkehren könnte – sie war einem Weinkrampf nahe gewesen, obwohl Elizabeth versprochen hatte, Garnisonssoldaten zu Hilfe zu holen. Sie hatte den beiden erstbesten patrouillierenden Wachmännern, die ihr vertrauenerweckend und ausreichend nüchtern vorgekommen waren, ein paar Silberstücke in die Hand gedrückt und sie zum Schutz ihrer Cousine nach Dunmore Hall geschickt, bevor sie wie von Furien gehetzt nach Osten galoppiert war – nur um von der erstaunten Miranda zu erfahren, dass Harold den Kleinen bereits abgeholt hatte.
» Lieber kleine Junge hat geschlafen. Master Dunmore ihn mit Umhang zugedeckt und weggeritten.«
Elizabeth hatte wertvolle Zeit damit vertan, einen Boten zur Elise zu schicken, doch noch während sie voller Ungeduld am Kai auf Duncan wartete, hatte ihr eine innere Stimme flüsternd geraten, rasch beim Chez Claire nachzusehen. Wo sie ihn zu ihrem grenzenlosen Zorn tatsächlich vorgefunden hatte.
» Ihr liebt ihn sehr, n’est-ce pas?« Claire lehnte
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