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Inseln im Wind

Inseln im Wind

Titel: Inseln im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Santiago
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was sagen.«
    Hilfe suchend wandte sie sich zu Claire um, die ihr gefolgt war. Die Französin streckte die Arme aus.
    » Lasst mich den Kleinen so lange halten.«
    Zögernd reichte Elizabeth ihr das Kind, das die fremde Frau ein wenig skeptisch von unten herauf beäugte, dann aber vertrauensvoll lächelte.
    » Oh, là là, was für ein Charmeur«, murmelte Claire.
    » Warum bist du so ernst?«, wollte Harold stirnrunzelnd von Elizabeth wissen. » Es ist doch alles wieder gut, oder? Ich habe ihn dir zurückgebracht. Und es tut mir leid, dass ich dich und Felicity eingesperrt habe. Das war dumm von mir. Ich bin manchmal … aufbrausend. Es war auch ein Fehler, dass ich auf Noringham geschossen habe. Er ist kein schlechter Kerl, wirklich nicht. Sobald ich ihn wiedersehe, entschuldige ich mich bei ihm. Es ging einfach mit mir durch, weil ich glaubte, er wolle dir schöntun. Übrigens geht es ihm gut. Ich sah ihn vorhin drüben bei der Garnison stehen und Lagebesprechung halten.« Besorgt blickte er in Richtung Meer. » Scheint so, als machten die Rundköpfe wirklich Ernst, was?«
    Elizabeth legte die Hand auf seinen Arm.
    » Harold, etwas Schreckliches ist geschehen, als du fort warst.« Sie holte tief Luft. » Es ist … Es geht um Martha.«
    » Was ist mit ihr?«
    » Sie ist tot, erwürgt. Akin hat sie umgebracht.«
    Er starrte sie ungläubig an, dann schüttelte er ruckartig den Kopf, als müsse er sich klarmachen, dass er nicht träumte.
    » Was sagst du da? Akin? Der ist doch weggelaufen!«
    » Er war da. In Marthas Zimmer. Ich hab ihn gesehen, als er verschwinden wollte. Aber ich kam zu spät. Es tut mir so leid, Harold.«
    Er starrte auf ihre Hand, die immer noch auf seinem Arm lag. Er umfasste sie mit seiner und hielt sie fest, und dann fing er auf einmal an zu zittern. Bestürzt sah Elizabeth, dass ihm die Tränen übers Gesicht liefen. Ein raues Schluchzen entrang sich ihm, während er mit gebeugtem Kopf dastand und ihre Hand umklammert hielt. Von Mitleid überwältigt, umarmte Elizabeth ihn behutsam und strich ihm über den Kopf. Er stank nach ranzigem Schweiß und etwas anderem, das sie nicht einordnen konnte. Sein Haar war fettig, seine Kleidung starrte vor Dreck und war von dunklen Flecken übersät. Es war ihr zuwider, so nah bei ihm zu sein, aber in diesem Moment war er nur ein armer Mann, der einen grauenhaften Schicksalsschlag erlitten hatte und ihren Trost verdiente. Er legte die Arme um sie, drängte sich schluchzend an ihren Körper und weinte in ihr Haar. Beruhigend klopfte sie ihm auf den Rücken und murmelte Worte des Zuspruchs, doch dann wurde sie starr, denn etwas stimmte an seiner Umarmung nicht. Er stand zu dicht bei ihr. Seine Hände fuhren rastlos über ihren Rücken, fast so, als wolle er so viel von ihr berühren wie nur möglich. Und als er sie noch fester an sich zog und sie seine Erektion spürte, begriff sie von Grauen erfüllt, dass Duncan recht gehabt hatte. Harold begehrte sie. Bevor sie ihn von sich stoßen konnte, ließ er sie los und wich zwei Schritte zurück. Sein Blick huschte unstet hin und her.
    » Ich muss mich wieder auf die Suche machen«, sagte er leise. Ruckartig trat er zu seinem Pferd und stieg in den Sattel. » Ich kümmere mich um alles, keine Sorge«, erklärte er mit abgewandtem Gesicht, während er den Apfelschimmel in Bewegung versetzte. » Wenn ich zurückkomme, ist alles gut.«
    Fassungslos blickte sie ihm nach. Gleich darauf hatte die Nacht ihn verschluckt.
    47
    A m nächsten Morgen hinderten kräftige Regenschauer die Soldaten und die Männer der Bürgerwehr an weiteren Übungen. Die meisten warteten in den Baracken auf Befehle, während die Schäden, die der nächtliche Kanonenbeschuss angerichtet hatte, bei Tageslicht in Augenschein genommen wurden. Ein Zufallstreffer hatte das Dach des Versammlungshauses durchschlagen und den großen Tisch im Sitzungssaal in mehrere Teile zerlegt. Eine Kanonenkugel hatte im Friedhof zum Entsetzen aller einen Sarg zerbersten lassen und die sterblichen Überreste eines erst vor drei Tagen verblichenen Stoffhändlers bis vor die Kirchentür verstreut. Ein paar Gemüsegärten waren von Geschossen durchpflügt und ein Stall mitsamt einem halben Dutzend Milchziegen dem Erdboden gleichgemacht worden. Ansonsten gab es nur hier und da Krater in den Feldern und ein paar zersplitterte Palmen. Menschen waren nicht verletzt worden.
    Zur allgemeinen Überraschung war auch die Gegenseite nicht ungeschoren davongekommen. Die einzige –

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