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Inseln im Wind

Inseln im Wind

Titel: Inseln im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Santiago
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Kanonendonner und gleich danach aus der Ferne wüstes Männergebrüll.
    » Das war Geschützfeuer!«, stieß Elizabeth hervor.
    Felicity weinte laut auf.
    » Um Himmels willen, fängt jetzt der Krieg an? Wie viele Prüfungen hält das Schicksal denn noch für uns bereit?«
    Elizabeth war schon auf dem Weg zur Treppe. Kein Sklavenaufstand und kein Krieg würden sie daran hindern, sich ihr Kind zurückzuholen.

Fünfter Teil
    Barbados
    Herbst und Winter 1651

46
    D uncan fluchte unablässig, während er von der Elise an Land übersetzte. Der unerwartete Kanonenschuss, der von der Geschützstellung oberhalb der Bucht gekommen war, brachte alle seine Pläne ins Wanken. Später sollte er erfahren, dass dem Befehlshaber der Bastion ein Missgeschick unterlaufen war: Beim Prüfen der Ladung hatte sich unbeabsichtigt ein Schuss gelöst.
    Wo immer die Kugel eingeschlagen war – wegen der Dunkelheit ließ sich unmöglich sagen, ob sie Schaden angerichtet hatte und, falls ja, wie schwerwiegend er sein mochte. Das würde sich erst beim nächsten Morgenlicht herausstellen. Möglicherweise würde dieser unbedachte Schuss den Krieg losbrechen lassen, bevor die Verhandlungen in Gang gekommen waren. Tatsächlich ließ die Antwort der Parlamentsflotte nicht lange auf sich warten: In der Ferne blitzte auf dem Meer Mündungsfeuer auf, und gleich darauf zitterte die Erde vom nahen Einschlag mehrerer Geschosse. Duncan lauschte dem Geräusch und stellte zu seiner Erleichterung fest, dass die Flottengeschütze über die Stadt hinweg abgefeuert worden waren, offensichtlich eher mit der Absicht, Stärke zu demonstrieren, als zu zerstören. Dennoch war im Ort die Hölle los, die Leute rannten aufgescheucht durcheinander. Statt zur Elise zurückzurudern, kehrte Duncan bei Claire ein, um sich mit einem Becher Rum abzulenken.
    Vor dem Schanktisch herrschte unbeschreibliches Gewühl, grölend balgten sich die Männer dort um die besten Plätze. Rauchschwaden von Pfeifentabak durchzogen den Raum und mischten sich mit dem stechenden Geruch von Schweiß und Rum. Lauthals wurde Cromwells Rundköpfen die schlimmste Folter angedroht, sollten sie es wagen, einen Fuß an Land zu setzen. Ein paar stark angetrunkene Soldaten hatten sich abseits des Tresens zusammengerottet und diskutierten die Möglichkeit, im Schutze der Nacht hinauszurudern und mit ein paar Pechfackeln das Flaggschiff in Brand zu stecken. Einer von ihnen behauptete prahlend, er habe von seinem Großvater gelernt, griechisches Feuer herzustellen. Damit brenne sogar nasses Holz wie Zunder.
    Jene, die sich um die Würfel- und Kartentische scharten, waren kaum weniger bezecht. Die Stimmung war aufgeheizt und brodelte von unterschwelliger Gewalt. Ein Seemann spie Duncan voller Absicht eine Ladung braunen Kautabaksaft direkt vor die Schuhspitzen, anschließend reckte er sich herausfordernd. Duncan schob sein Wams zur Seite und zeigte dem Kerl seine Pistole. Vivienne, die an einem der beiden Kartentische saß, winkte ihm fröhlich zu. Duncan erwiderte den Gruß in weniger guter Stimmung und ließ sich von der Schankmagd einen Becher Rum servieren.
    Ein gewaltiger Kerl von einem Mann kam die Stiege herab. Er hatte nur noch ein Auge, die leere Höhle war von einer schwarzen Klappe verdeckt. Sein hässliches Gesicht und sein von Muskeln strotzender Körper waren von einem dichten Gewirr bleicher Narben überzogen. Seine Fäuste waren groß wie Kinderköpfe, sein nur mit einer fleckigen Weste bekleideter Rumpf so dick wie ein Fass. Er hieß Jacques und war Claires Leibwächter. Egal, wo und mit wem sie zusammen war – er befand sich immer in ihrer Rufweite.
    Hinter ihm kam Claire Dubois wie eine Fee die Treppe heruntergeschwebt, das Kleid unzüchtig tief ausgeschnitten und das Mieder so eng, dass ihre Brüste fast ganz herausgehoben wurden, was augenblicklich etliche Blicke auf sie lenkte und das Gegröle deutlich steigerte. Ihr rotes Lockenhaar war dekorativ im griechischen Stil frisiert, und ihr gemmenhaft hübsches Gesicht zeigte ein glückliches, beinahe euphorisches Lächeln. Offenbar lief das Geschäft mehr als glänzend. Die betuchtesten Kunden standen derzeit um Claires intime Dienste Schlange.
    » Das macht der Krieg, schon bevor er richtig losgeht«, hatte sie Duncan am Mittag erklärt, als er auf einen kurzen Informationsaustausch bei ihr gewesen war. » Alle Welt will feiern, als gebe es kein Morgen. Und das lassen die Leute sich was kosten.«
    Das Chez Claire war die reinste Goldgrube,

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