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Inseln im Wind

Inseln im Wind

Titel: Inseln im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Santiago
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aber nicht nur, was das Pekuniäre betraf, sondern auch in Bezug auf sämtliches Wissen, das auf dieser Insel von Wichtigkeit war. Was immer geschehen war oder noch geschehen würde – Claire war stets eine der Ersten, die es erfuhren. So wusste Duncan inzwischen, dass die vier portugiesischen Schiffe, die im Hafen vor Anker lagen, vielleicht in einer der kommenden Nächte einen bewaffneten Ausfall am Rande der Bucht wagen wollten. Ein paar französische Kapitäne überlegten, mit der Parlamentsflotte gemeinsame Sache zu machen und dem Admiral ihre Feuerkraft zur Verfügung zu stellen. Eugene Winston, der Neffe des Gouverneurs, hegte Pläne, seinen Onkel in einem Handstreich zu entmachten und ihn an Ayscue auszuliefern, in der Hoffnung, als Belohnung für so viel Umsicht vielleicht zum neuen Gouverneur ernannt zu werden, wenigstens aber zum Ratsvorsitzenden. Möglicherweise hatte Claire weitere Nachrichten für Duncan. Ihr Gesichtsausdruck deutete jedenfalls darauf hin.
    Mit ein paar gut gezielten Püffen bahnte Jacques seiner Herrin den Weg durch den Schankraum. Einem Seemann, der es wagte, nach Claire zu grabschen, schlug der hünenhafte Franzose krachend die Faust auf den Kopf, worauf der zudringliche Galan die Augen zur verräucherten Decke verdrehte und bewusstlos niedersank. Jacques stieg über ihn hinweg und schob eine Reihe weiterer Zecher aus dem Weg. Vor Duncan trat er zur Seite und machte Platz für Claire.
    » Es gibt was zu bereden«, schrie sie gegen den Lärm an. » Wollen wir nach oben gehen?«
    Duncan schüttelte den Kopf. Die Zeiten, in denen er sich in die Nähe ihres Bettes begab, waren vorbei.
    » Lieber vor die Tür.«
    Gemeinsam gingen sie nach draußen. In der Gasse lagen im Abstand von wenigen Schritten zwei sturzbetrunkene Männer und blockierten den Weg. Claire gab Jacques einen Wink, worauf der Franzose beide Schnapsleichen gleichzeitig am Kragen packte und zur Seite schleifte. Einen pöbelnden Nachtschwärmer, der ihm dabei vor die Füße geriet, schlug er mit einem fast nachlässigen Schlag nieder und warf ihn zu den anderen. Im nächsten Augenblick zerriss ohrenbetäubendes Artilleriefeuer die Nacht. Ein heulendes Zischen ließ sie zusammenzucken – eine Kanonenkugel fegte über ihre Köpfe hinweg, höchstens zwölf Fuß vom Dach der Schänke entfernt.
    » Mon Dieu!«, schrie Claire.
    » Das dient nur der Demoralisierung«, wiegelte Duncan ab. » Sie haben absichtlich zu hoch gezielt. Der Befehlshaber oben bei der Bastion hat es auch bemerkt, sie schießen nicht mehr. Zumal sie bei der Dunkelheit kein einziges Schiff der Flotte sehen können.« Er blickte sie forschend an. » Welche Neuigkeiten hast du für mich?«
    » Eh bien, du wolltest ja unbedingt sofort erfahren, wenn es was über Harold Dunmore zu berichten gibt. Nun, er war heute hier, kurz nachdem ich aufgemacht hatte. Er war verdreckt und abgehetzt, seine Kleidung war blutbespritzt. Ich fragte ihn im Scherz, ob er ein Schwein geschlachtet hätte, worauf er sagte: nein, mehrere. Ich hab ihn ziemlich ungläubig angesehen, daraufhin meinte er, zwei oder drei entflohene Sklaven hätten ihn überfallen, und mit denen habe er kurzen Prozess gemacht.«
    » Schade, dass sie keinen Erfolg hatten. Was wollte er von dir?«
    Claire hob ironisch eine Braue.
    » Dasselbe wie alle. Aber er kriegte ihn nicht hoch. Ich erklärte ihm, dass es egal sei, er solle ein andermal wiederkommen, doch da brach er zusammen und fing an zu flennen wie ein kleiner Junge. Er sagte: Ich wollte es nicht tun, nichts davon. Die ewige Verdammnis ist mir sicher. Ich antwortete: Mon cher, wir kommen alle in die Hölle, wen kratzt das schon. Dann fragte ich ihn, wofür genau er in die Hölle kommt. Doch er murmelte nur irgendwas von das Spiel zu Ende bringen und zog ab. Ich nahm an, er wolle Karten spielen, aber er war verschwunden.«
    Duncan war aufs Äußerste besorgt. Es beschloss, sich auf der Stelle zu vergewissern, dass mit Elizabeth alles in Ordnung war. Dem Kerl traute er keinen Zollbreit über den Weg, nach Claires Bericht über sein seltsames Benehmen weniger denn je.
    » Wo willst du hin?«, fragte Claire pikiert, als er über einen der Betrunkenen stieg und sich entfernte. » Wie kannst du einfach ohne ein Wort davonmarschieren?«
    » Tut mir leid, aber ich muss …« Wie angewurzelt blieb er stehen. Dort drüben kam ein Pferd um die Ecke geprescht, und im Sattel saß Elizabeth.
    Ihr offenes Haar flatterte im Wind, die Röcke waren bis zum Knie

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