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Inseln im Wind

Inseln im Wind

Titel: Inseln im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Santiago
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eine erheblich reduzierte Fassung der von ihm vorbereiteten Deklaration geeinigt, die nur die wirklich unverzichtbaren Forderungen enthielt. So hatte er beispielsweise auch von seinem Wunsch Abstand nehmen müssen, offiziell eine Reglementierung der Sklavenhaltung anzustreben. Doch er sagte nichts, denn nach dem Gesichtsausdruck von Joseph Wilkes zu urteilen, spielte das auch keine besondere Rolle mehr.
    Duncan warf einen besorgten Blick zu Ayscue hinüber, doch in dessen ausdrucksloser Miene war nichts zu lesen. Duncan begann sich zu fragen, ob die Abmachungen, die er vor Jahren bei Sherry und Gebäck mit der Admiralität getroffen hatte, womöglich durch Zeitablauf, politisches Kalkül oder gar durch den Kanonenschuss der letzten Nacht hinfällig geworden waren. So einfach, wie er es sich noch vor ein paar Wochen vorgestellt hatte, war es jetzt gewiss nicht mehr. Ganz und gar nicht. Vielleicht war es sogar ein Ding der Unmöglichkeit.
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    H arold war seit dem Morgengrauen auf der Suche. Wie schon am Vortag durchkämmte er jeden infrage kommenden Winkel des Landes rund um Summer Hill. Er ritt bereits zum dritten Mal den Weg ab, den Anne auf ihrer Flucht genommen hatte, beginnend an der Stelle, wo er sie bei der Verfolgung aus den Augen verloren hatte. Jedes Mal hatte er weitere Spuren gefunden und sie ein Stück länger verfolgen können, zum Schluss bis zu dem Abhang, den sie hinabgerollt sein musste. Unten fand er einen abgerissenen Fetzen weißer Seide, der an einem Ast hing. Dort verlor sich ihre Spur, obwohl er rund um die Stelle jeden Zoll absuchte, über eine Stunde lang. Er biss die Zähne zusammen und dachte nach. Sie konnte sich unmöglich in Luft aufgelöst haben. Vorher hatte sie so viele Zeichen hinterlassen, dass selbst ein Volltrottel der Fährte nachspüren konnte. Haare, die an Zweigen hängen geblieben waren, Schleifen und Bänder, die wie Wegweiser im Moos lagen, Stücke von Spitzenbesatz zwischen den Wurzeln, einmal sogar einen Schuh. Denkbar war zwar noch, dass die entflohenen Sklaven sie erwischt hatten, doch diese Möglichkeit verwarf Harold wieder, denn dann hätte es irgendwo Blut oder Anzeichen für einen Kampf geben müssen.
    Was hätte er jetzt für ein gutes Paar Bluthunde gegeben! Unter anderen Umständen hätte er sich einfach die von Sutton geborgt, doch das kam in diesem Fall nicht infrage – Suttons Hunde waren tot, ebenso wie Sutton selbst, seine gesamte Familie sowie alle Schuldknechte, die nicht vorher auf Befehl ihres Herrn der Bürgerwehr beigetreten waren und sich in Bridgetown aufhielten. Harold hatte sie allesamt aufgeschlitzt in ihrem Blut liegend vorgefunden. Ähnlich sah es vermutlich auf anderen Plantagen aus.
    Diesmal hatten die Schwarzen es schlauer angestellt. Sie hatten keine Brände gelegt, sondern schweigend aus dem Hinterhalt gemordet. Vor allem aber hatten sie sich für ihren Aufstand die einzige Nacht ausgesucht, in der sie sicher sein konnten, nicht sofort von allen Waffenträgern der Insel zusammengetrieben und aufgehängt zu werden – der stundenlange Beschuss durch die Flotte hatte sämtliche Männer der Bürgerwehr bei den Bastionen zurückgehalten, einschließlich all der Knechte, die man von der Feldarbeit abgezogen hatte. Man hatte sie gedrillt, ihnen das Schießen beigebracht und sie in die Garnisonsbaracken gesteckt, damit sie sich bereithalten konnten, für den Fall, dass es dem Flottenadmiral in den Sinn kam, Landungstruppen in Marsch zu setzen. Mit der Folge, dass nur noch wenige wehrhafte Männer auf den Plantagen und in den Dörfern zurückgeblieben waren.
    Noch in der vergangenen Nacht hatte Harold seinen Schuldknechten auf Rainbow Falls befohlen, immer zusammenzubleiben und Wachen aufzustellen, falls ihnen ihr Leben lieb sei. Er hatte ihnen ausführlich geschildert, was die Schwarzen mit den Weißen taten, die sie unvorbereitet erwischten. Harold war in der letzten Nacht selbst nur um Haaresbreite einem Hinterhalt entronnen. Ihm war zugutegekommen, dass er die schussbereite Büchse vor sich auf dem Sattel liegen hatte. Einen hatte er erschossen, die beiden anderen waren schneller verschwunden als der Wind. Er hatte genug Zeit gehabt, um nachzuladen, doch für den Rest der Nacht war er unbehelligt geblieben.
    Das wahre Ausmaß des Sklavenaufstands hatte sich jedoch noch nicht offenbart. Harold hatte ein paar Leute darüber reden hören, dass die entflohenen Sklaven von Rainbow Falls wohl gerade wieder die Wälder unsicher machten. Sie hatten

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