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Inseln im Wind

Inseln im Wind

Titel: Inseln im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Santiago
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sollten wir bei dem Wetter nicht vor die Tür. Hör nur, wie es stürmt, es klingt, als würde gleich das ganze Haus wegfliegen!« Sie rümpfte die Nase. » Oje, da hat aber jemand die Windeln voll.« Geschäftig erhob sie sich und suchte in der mitgebrachten Tasche nach frischen Tüchern. Nachdem sie fündig geworden war, weckte sie den Kleinen. » Schlimm genug, dass wir jetzt wieder so viele Wochen nicht baden können. Ob wir dich auf dem Schiff mit Regenwasser waschen können, kleiner Mann?«
    » Johnny baden«, sagte Jonathan bereitwillig, doch er protestierte, als Felicity ihn aufs Bett legte, um ihn zu wickeln.
    » Himmel, sieh nur, er ist von Mücken zerstochen«, sagte Felicity klagend. Dann blickte sie auf ihre Arme. » Und ich erst! Wir hätten Claire um ein Moskitonetz bitten sollen. Aber vielleicht hat sie gar keins. Damals, auf dem Schiff, da hatte sie mir erzählt, dass sie sich mit einem komischen Sud einreibt, der die Mücken fernhält …«
    Felicitys unablässiges Geplapper zog an Elizabeth vorbei, es war nur ein Geräusch wie der Wind draußen, doch der Satz über das Einreiben blieb hängen. Wer hatte davon gesprochen? Richtig, Celia, in jener Nacht, als Elizabeth beim Schlafwandeln diesen merkwürdigen Traum gehabt hatte, von tanzenden, stampfenden Wilden, von fremden Göttern, die sich auf geheimnisvolle Weise mit der Natur und den Menschen verbanden. Rätselhafte Empfindungen waren von diesem Traum zurückgeblieben, und plötzlich durchfuhr Elizabeth der Gedanke, dass ein Teil davon vielleicht Wirklichkeit gewesen war. Vielleicht sogar viel mehr, als sie wahrhaben wollte. Sie legte ihren Umhang an und ging zur Tür.
    » Wo willst du hin?«, fragte Felicity.
    » Zu Duncan.«
    » Nach unten, in diese Spelunke?«
    » Ich muss zu ihm. Wir können nicht hierbleiben.« Elizabeth ließ sich nicht davon abbringen, obwohl Felicity sie beschwor, keinen Fuß in den Schankraum zu setzen. Nur der Bodensatz der Gesellschaft, so Felicitys feste Überzeugung, hielt sich an diesem Tag bei Trunk und Spiel hier auf; Männer von Ehre und Ansehen hatten sich hingegen zu den Waffen begeben, um gegen die Rundköpfe zu kämpfen. Elizabeths Hinweis, dass auch Duncan unten saß, wollte Felicity nicht gelten lassen. » Er muss uns beschützen. Wo sollte er sonst sein als in unserer Nähe?«
    Die bewaffneten Auseinandersetzungen waren jedoch derzeit nicht die größte Bedrohung. Gegen Mittag hatte es ein kurzes Scharmützel zwischen den Kriegsparteien gegeben, weil der Inselrat nicht bereit gewesen war, sich kompromisslos zu ergeben – eine andere Verhandlungsbasis hatte das Flottenkommando nicht mehr akzeptiert –, aber danach hatte der immer mächtiger tobende Sturm eine Fortsetzung des Kampfes verhindert. Beide Seiten hatten sich verschanzt und warteten auf besseres Wetter. Mittlerweile fürchteten sich die Leute mehr vor dem Orkan als vor den englischen Soldaten.
    Elizabeth verließ die Kammer und ging durch das unsägliche Liebesgemach nach draußen zur Hintertreppe. Der Wind traf sie mit voller Wucht und riss ihr den Umhang von den Schultern. Sie kämpfte mit dem flatternden Stoff, als sie unten eine Gestalt sah. Eine Frauenstimme rief nach ihr.
    » Lady Elizabeth!«
    » Celia?«
    Verdattert ließ Elizabeth den Umhang fahren. Er wehte wie ein dunkles Segel über das Treppengeländer davon und schlang sich um den Giebel eines benachbarten Lokals, vor dem lachende Huren mit ihren betrunkenen Freiern im Wind umhertanzten. Elizabeth umklammerte ihre Röcke und hielt sich mit der freien Hand am Geländer fest, um nicht von den Böen gegen die Hauswand gepresst zu werden. Eilig stieg sie die Stufen hinab. Unten stand die Mulattin. Sie hatte sich in eine grobe Decke gehüllt, die Haar und Gesicht fast verbargen. Darunter trug sie ein zerlumptes Kleid. Ihre schlanken Füße waren nackt und von blutigen Schrammen übersät.
    » Allmächtiger, was tust du hier? Du könntest festgenommen werden!« Besorgt blickte Elizabeth sich um. Doch nirgends waren Soldaten in Sicht, nur die tanzenden Huren. Sie ließen sich die Röcke über die Köpfe hochwehen und schwangen ausgelassen kreischend Beine und Arme. Die Musik dazu – schrilles Gefiedel, das aus einer der Schänken drang – war wegen des tosenden Windes auf die kurze Entfernung hin fast nicht zu hören. Sie griff nach Celias Hand.
    » Komm erst mal mit rein, damit wir uns um dich kümmern können!«
    Celia schüttelte verzweifelt den Kopf. Das Mädchen stand unter enormer

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