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Inseln im Wind

Inseln im Wind

Titel: Inseln im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Santiago
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lächelnd zu, was Robert ihr zu sagen hatte, schüttelte aber dann den Kopf. Robert wandte sich halb von ihr ab, als wolle er zurück zu den Kajüten gehen. Er wirkte enttäuscht. Harold seufzte. Wie es schien, blieb ihm nichts erspart.
    7
    F elicity war allein an der Reling auf dem Achterdeck stehen geblieben. Der Kapitän hatte sich auf das Kajütdeck zurückgezogen. Wie immer würde er sich an den dort befindlichen massiven Tisch stellen und seine mit scheinbar wirren Linien und Zeichen beschrifteten Seekarten studieren. Danach würde er – auch das tat er regelmäßig – mit dem Maat sprechen, der das Ruder bediente. Felicity hatte nicht recht einleuchten wollen, dass ein so gewaltiges Schiff mit einem derart lächerlich winzigen Ruder gesteuert werden konnte, doch der Kapitän hatte ihr von dem Freisitz hinter seiner Kajüte aus das wirkliche – riesige – Schiffsruder gezeigt, das durch eine Art Gestänge mit der Steuervorrichtung an Deck verbunden war.
    Felicity hätte stundenlang mit ihm dort draußen stehen mögen, allein um den Sonnenuntergang zu betrachten. In dem rötlichen Widerschein hatte der von prachtvollen, vergoldeten Schnitzereien überbordende Heckspiegel förmlich in Flammen gestanden, genau wie ihr Inneres, denn in diesen kostbaren Augenblicken hatte der Kapitän sanft ihre Hand gehalten. Leider hatte es nicht lange gedauert, bis er zu seiner nächsten Aufgabe geeilt war. Ständig musste er Karten studieren, Befehle ausgeben, den Kurs kontrollieren, durchs Fernrohr blicken, mit seinen Offizieren konferieren, das Schiff inspizieren. Zu Felicitys Leidwesen ergab sich nicht oft die Gelegenheit, mit dem Kapitän allein zu sein. Außerdem gerieten solche seltenen Gespräche unter vier Augen immer viel zu kurz. Er nahm seine Arbeit sehr ernst – was im Grunde nicht hoch genug eingeschätzt werden konnte, schließlich hing ihrer aller Leben davon ab. Dass er allerdings seine spärlich bemessene freie Zeit auch noch damit vergeuden musste, sich mit den holländischen Kaufherren über das Wetter und die Geschäfte auszutauschen, störte Felicity gewaltig, zumal sie kaum ein Wort von all dem Gerede verstand, während sie höflich im Hintergrund auf das Ende der überflüssigen Gespräche wartete. Sie konnte diese in steifes schwarzes Tuch gekleideten Pfeffersäcke nicht leiden, vor allem nicht den beleibteren der beiden, der ihr gleich am ersten Abend unverhohlen während des Essens das Knie getätschelt hatte. Sie hatte ihn empört angefunkelt, worauf er weitere Versuche unterlassen hatte, doch sie spürte seine Blicke bei jeder Gelegenheit auf sich ruhen. Dasselbe galt für die Offiziere und sogar den Pfaffen. Zwar waren sie, wie Felicity wusste, samt und sonders der Ansicht, dass Frauen an Bord nichts als Unglück brächten, ja, dass sie sogar schlimmer seien als der biblische Jona. Gleichwohl ließen sie Felicity, wann immer sie ihrer ansichtig wurden, nicht aus den Augen, aber keineswegs so, als wollten sie sie über Bord werfen, um sie loszuwerden – im Gegenteil. Der einzige Mann an Bord, der sie nicht mit eindeutigem Interesse musterte, war Harold. Sie tat sich immer noch schwer damit, ihn so zu nennen, genau wie Lizzie – die immerhin noch froh darüber war, dass sie nicht Vater zu ihm sagen musste, denn das hatte er brüsk zurückgewiesen und darauf bestanden, beim Vornamen gerufen zu werden.
    » Für euch beide bin ich Harold, nichts anderes«, hatte er erklärt, und seine Miene hatte deutlich gemacht, dass er keinen Widerspruch duldete. Welcher ja zudem auch unsinnig gewesen wäre.
    Wenn er Felicity betrachtete, sprach keine männliche Bewunderung aus seinen Blicken, sondern eher eine abwägende, abwartende Besorgnis. Vor allem dann, wenn sich Robert in ihrer Nähe aufhielt. Robert, den der Teufel holen sollte! Harold würde doch nicht allen Ernstes annehmen, sie könne … Felicity schob den Gedanken eilig weg, er war gar zu absurd. Jeder, der Augen im Kopf hatte, musste bemerken, dass nicht sie diejenige war, die der Hafer stach. Oder wenn doch, dann bestimmt nicht im Hinblick auf Robert. Der ja immerhin nun so etwas wie ihr Schwager war, was wirklich schlimm genug war. Arme Lizzie, wenn sie nur wüsste! Felicity hatte häufig hin und her überlegt, es ihr zu sagen, doch waren die Beweise bisher einfach zu dünn. Ja, wenn Robert mit einer der Französinnen in deren Kajüte verschwunden wäre. Doch sie hatten ihn bislang abgewimmelt, schließlich wussten alle an Bord, dass er frisch

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