Inseln im Wind
an was Schönes, dann geht es schneller vorbei.«
Elizabeth war erleichtert, dass das nicht nötig gewesen war. Robert hatte sie angenehm überrascht. Sie konnte zufrieden sein. Beim nächsten Mal würde es sicher noch besser werden. Sie rollte sich neben ihrem schnarchenden Ehemann zusammen, blickte noch eine Weile dösend in das herunterbrennende Kaminfeuer und schlief schließlich ein.
Zweiter Teil
Auf See
Frühjahr 1649
6
H arold Dunmore stand auf dem Hauptdeck an der Reling und ließ sich den Wind um die Nase wehen. Die Eindhoven kam überraschend gut voran, seit sie vor einer Woche in Portsmouth aufgebrochen waren. Oft ging es auf diesem Stück der Passage bedeutend langsamer vorwärts, denn in den Breiten, die zwischen der Westwinddrift im Norden und dem Passat im Süden lagen, schien der Wind oft nicht recht zu wissen, welche Richtung er nehmen sollte. Harold hatte nicht damit gerechnet, dass sie so gute Fahrt machen würden. Die Südspitze von Portugal, den Zipfel Europas, hatten sie bereits hinter sich gelassen. Nach Harolds Schätzung befanden sie sich nun auf Höhe der Berberküste und würden bald Madeira erreichen. Dort würden sie ein letztes Mal Vorräte und Wasser aufnehmen, bevor sie mit den Passatwinden den offenen Atlantik überquerten.
Die Verzögerung durch das Anlaufen von Le Havre hatte Harold verärgert, doch dann hatte sich herausgestellt, dass die zusätzlichen Passagiere von einigem Nutzen waren. Es handelte sich um vier französische Damen, deren Gewänder feiner waren als ihre Absichten. All die spitzenbesetzten Kleider und samtgefütterten Umhänge konnten nicht darüber hinwegtäuschen, woher sie stammten und welchem Gewerbe sie nachgingen. Die Etablissements, in denen sie bisher tätig gewesen waren, mochten vornehmer sein als die Elendsquartiere mancher Nutten in Billingsgate, aber das war auch schon der einzige Unterschied. Bisher war Harold nicht dahintergekommen, was sie aus dem Pariser Sündenbabel fortgetrieben hatte, obwohl er sich zwei- oder dreimal mit einer von ihnen unterhalten hatte. Vivienne war die jüngste und mitteilsamste unter den vieren und sprach ein leidlich verständliches Englisch, doch mit den entscheidenden Hintergründen hatte sie nicht herausrücken wollen. Sie hatte nur durchblicken lassen, dass ihr Aufbruch sich überstürzt vollzogen hatte. Auf Geheiß von Mademoiselle Claire – das war ihre mitreisende Herrin, eine Rothaarige von exquisiter Schönheit – hatten sie gerade noch ihre Kisten packen und eine Kutsche besteigen können. In Le Havre hatten sie auf den nächstbesten Westindienfahrer gewartet, und dabei waren sie Kapitän Vandemeer begegnet. Dieser wiederum hatte sich gerade auf dem Weg nach Portsmouth befunden, aber versprochen, auf der Rückreise zu den Antillen nochmals in Le Havre anzulegen und sie mitzunehmen. Die Frauen wollten nun auf Barbados ihr Glück machen, so Viviennes Erklärung. Sie hatte Harold liebreizend angelächelt und gefragt, ob er für sie und ihre Freundinnen dort gute Möglichkeiten sehe, sich mit der Eröffnung eines Hauses von gehobener Gastlichkeit eine neue Existenz zu schaffen.
» Nur die besten«, hatte Harold amüsiert geantwortet. Das entsprach der Wahrheit. Die Hauptstadt von Barbados war im Wachsen begriffen. Aus Bridgetown, dem verschlafenen Nest mit wenigen Einwohnern, war in den letzten paar Jahren ein von Menschen überquellender Ort geworden. Überall schossen Schänken und Bordelle aus dem Boden, wie man sie sich schmutziger und zweifelhafter kaum vorstellen konnte. Die französischen Mädchen würden den Ort, was das Niveau der Vergnügungen betraf, beträchtlich aufwerten und gewiss alles bisher dort Verfügbare in den Schatten stellen. Harold hatte sich bereits selbst davon überzeugt. Die Frauen teilten sich einen der Verschläge, die man für die wenigen gut zahlenden Passagiere auf dem Achterdeck abgeteilt hatte. Vivienne hatte ihn – gegen ordentliches Entgelt – bei Nacht dorthin mitgenommen, während sich ihre drei Freundinnen, ob zufällig oder absichtlich, an Deck aufgehalten hatten. Sie hatte ihn auf Knien befriedigt. Ein Bett gab es ohnedies nicht – an Bord schliefen alle in Hängematten, bis auf den Kapitän, der über ein Alkovenbett verfügte.
» Du wirst es weit bringen«, hatte er hinterher zu ihr gesagt.
Verstohlen blickte er hinauf zu Felicity, die bei Vandemeer auf dem Achterdeck stand. Er bemerkte, wie sie den Kapitän anhimmelte, es war nicht zu übersehen, dass
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