Inseln im Wind
Badezuber. Elizabeth hatte sie gestern selbst gesehen, als sie sich ausnahmsweise stark genug gefühlt hatte, um ihrer Übelkeit zu trotzen und in den Bauch des Schiffes hinabzusteigen, um nach Pearl zu schauen. Robert hatte darauf bestanden, sie zu begleiten, und sie war dumm genug gewesen, ihm deswegen dankbar zu sein. Bis sich herausgestellt hatte, dass es ihm weniger um ihr Wohlergehen ging als um das seine.
» Komm doch«, hatte er ihr schmeichelnd zugeflüstert, während er sie in eine dunkle Ecke drängte, wo sich zwischen Frachtkisten und Fässern etliche Futtersäcke stapelten. » Ich will dich dein Elend vergessen lassen! Es wird dir guttun! Es wird uns beiden guttun!«
Ihren Protest hatte er mit Küssen erstickt, die nach Brandy schmeckten, und während sie gegen einen erneuten Anfall von Übelkeit kämpfte, hatte er sie auf die Säcke gedrängt, ihr die Röcke hochgeschlagen, sich zwischen ihre Schenkel geschoben und sie ohne großes Federlesens und in aller Eile beschlafen. Elizabeth brannten immer noch die Wangen vor Scham und Demütigung, wenn sie daran zurückdachte, und das Schlimmste daran war, dass einige der Matrosen es mitbekommen hatten. Ein paar von ihnen hatten sich mittschiffs unter Deck um den Niedergang postiert und laut gejohlt und gepfiffen, als sie zusammen mit Robert wieder nach oben gestiegen war.
Nur ein paar Stunden später hatte er sich ihr ein weiteres Mal genähert, bei Einbruch der Dunkelheit, als die anderen beim Dinner gesessen hatten. Er hatte sie auf ähnliche Weise überwältigt, es war sogar noch schneller gegangen. Elizabeth hatte sich benutzt und besudelt gefühlt. Sie fragte sich mit einer gewissen Bangigkeit, ob das die übliche Art war, ehelichen Verkehr zu pflegen – und vor allem, ob es auf Dauer immer so häufig sein würde. Erschöpft lehnte sie sich zurück und überlegte, ob sie es wagen konnte, vielleicht ein Stück von dem Zwieback zu essen, den Felicity ihr am Morgen gebracht hatte. » Niklas … ähm, der Kapitän meinte, du sollst es damit versuchen. Leute, die schlimm an der Seekrankheit leiden, vertragen es recht gut.«
Elizabeth roch daran. Wie trockenes, altbackenes Brot, eine Spur muffig. Frisches Essen war Mangelware auf der Eindhoven, was vor allem für frisches Fleisch galt, denn das konnte nur lebend in Gestalt von Hühnern oder Ziegen mitgeführt werden. Es gab zwar allerlei Kleinvieh an Bord – Hühner etwa wurden auf der Pupp gehalten, und im Frachtraum gab es einen Ziegenstall –, aber die Tiere waren nicht dazu gedacht, in den Mägen der Matrosen oder Passagiere zu verschwinden. So viele Tiere hätte man, um über hundert Mann zu verköstigen, gar nicht mitführen können. Die Hühner wurden um der Eier willen gehalten, die Ziegen gaben Milch, die der Koch für eine abwechslungsreichere Gestaltung der Gerichte benötigte, welche er für die privilegierten Reisenden auf dem Achterdeck zubereitete. Die Matrosen, so hatte Felicity erzählt, bekamen meist dasselbe: Stockfisch, Bohnen oder Haferbrei, gelegentlich gepökeltes Fleisch. Und natürlich reichlich Zwieback. Von dem gab es offenbar überall und jederzeit genug.
Wenn sie winzige Happen zu sich nahm, war die Chance, es bei sich zu behalten, am größten. Zaghaft knabberte sie ein paar Stücke. Es schmeckte wie Stroh. Doch wenigstens wurde ihr nicht schon beim ersten Bissen übel. Vorsichtig biss sie erneut davon ab und kaute hoffnungsvoll. Als sich die Tür öffnete und Robert eintrat, verflog Elizabeths Zuversicht schlagartig. Steif setzte sie sich auf.
» Wie geht es dir?«, erkundigte er sich.
» Nicht besonders.«
» Das tut mir leid! Ich hatte gehofft, dass du von dem Zwieback essen kannst. Sie sagen, wenn man erst wieder was bei sich behalten kann, geht es aufwärts. Und wie es heißt, ist selten jemand länger als eine oder zwei Wochen krank. Daher ist es sicher bald vorbei mit deinen Beschwerden! Es ging dir doch schon gestern besser, oder?«
Sie ließ sich von seinem teilnahmsvollen Ton nicht täuschen. Inzwischen hatte sie gelernt, seinen Gesichtsausdruck zu deuten, auch wenn er wie jetzt nur schwach zu erkennen war, weil die zugezogenen Läden kaum Licht hereinließen.
» Ich bin müde und wollte mich gerade ein wenig hinlegen«, sagte sie. Sie erstarrte, als er näher trat. Seine hochgewachsene Gestalt schien die enge Kajüte vollständig auszufüllen. Die übereinandergestapelten Kisten und der – zum Glück noch leere – Kübel, der umgedreht zugleich als
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