Inseln im Wind
verheiratet war und seine junge Frau sich vor lauter Seekrankheit die Seele aus dem Leib kotzte.
Stattdessen nahmen die Frauen alle anderen Männer, die ständigen Zutritt zum Achterdeck hatten, mit in ihren Bretterverhau, der sich Kabine schimpfte. Den Navigator, den Stückmeister, den Doktor, sogar einen der Pfeffersäcke, und es war Felicity auch nicht entgangen, dass die Rothaarige es bei dem Kapitän versucht hatte. Zumindest hatte sie ihm beim Essen schöne Augen gemacht, was er mit wohlwollendem Zwinkern erwidert hatte. Doch Felicity hatte mit Argusaugen darauf geschaut, ob auch wirklich nichts weiter geschah. Sie blieb sogar nachts auf, wenn sie wusste, dass er mit den wachhabenden Offizieren draußen an Deck stand.
Dabei hatte sie entdeckt, dass Harold einmal mit dieser Vivienne verschwunden war. Er glaubte wohl, niemand habe es mitbekommen, weil es in der schwärzesten Nacht geschehen war, doch sie hatte am nächsten Morgen gehört, wie Vivienne mit den drei anderen Frauen darüber geredet hatte. Felicitys Französisch ließ nichts zu wünschen übrig, sie hatte es gleichsam mit der Muttermilch eingesogen – ihre Amme stammte aus dem Languedoc.
Letztlich zeigte das nur, dass alle Männer (natürlich außer dem Kapitän!) ihren niederen Instinkten hilflos ausgeliefert waren, sogar ein alter, verheirateter Mann wie Harold. Obwohl – richtig alt war er nicht mit seinen siebenundvierzig Jahren. Er war groß und stattlich, sein gebräuntes Gesicht auf männliche Weise attraktiv. Ja, Felicity würde sogar so weit gehen zu sagen, dass er auf seine Art vielleicht anziehender wirkte als sein Sohn. Robert erschien in vieler Hinsicht zu glatt und unreif. Sein hübsches Gesicht nahm alle Welt auf den ersten Blick für ihn ein, doch Felicity fand an Männern das Kantige, Kraftvolle von jeher beeindruckender.
Was das anging, so waren Harold und Robert Dunmore nicht nur von ihrem Wesen her, sondern auch äußerlich gänzlich verschieden. Robert war bestimmt eine Handbreit größer als sein Vater und dabei deutlich schlaksiger. Er war hell, Harold dunkelhaarig, fast so wie der leuchtende Tag im Vergleich zur düsteren Nacht. Robert hatte bei einem der Dinner darüber gesprochen, dass er mit seinem blonden Haar und seiner schlanken Statur mehr nach seiner Mutter schlug, die seinem Bekunden nach in ihrer Jugend eine gefeierte Schönheit gewesen sei. Felicity hatte sich bei diesen Worten ein säuerliches Lächeln nicht verkneifen können. Ihr war in den Sinn gekommen, dass Robert sie an jemanden erinnerte, ohne dass sie jedoch hätte sagen können, an wen. Erst später, als sie sich in ihrer Hängematte neben Lizzie zum Schlafen ausgestreckt hatte, war es ihr eingefallen: Robert war wie der Jüngling Narziss aus der griechischen Sage, so strahlend schön, dass er, gebannt von seinem eigenen Spiegelbild, in alle Ewigkeit sich selbst bestaunen musste.
Ach, hätte er das doch nur getan! Ein solcher Trieb wäre weit besser zu ertragen als jener andere, den zu bezwingen ihm offenbar furchtbar schwerfiel. Sofern er sich überhaupt ernsthaft darum bemühte. Felicity starrte in das graublaue Wasser, das rauschend und schwappend gegen die hölzernen Schiffswände schlug, während die Eindhoven sich unermüdlich ihren Weg durch die Wellen des Ozeans bahnte. Robert hatte sich bereits zweimal an sie herangemacht. Beim ersten Mal vor vier Tagen hatte er ihr Komplimente gemacht, ihre zarte Haut und ihre schönen Augen gepriesen und wie unabsichtlich ihren Oberarm gestreift, als er neben ihr stand. Sie hatte es zuerst nicht glauben wollen, doch als es offenkundig geworden war, hatte sie erschrocken das Weite gesucht. Beim zweiten Mal, das war erst gestern gewesen, hatte er seine Einsamkeit beklagt sowie Lizzies fortdauernde Krankheit. Daraufhin hatte er mit seiner Hüfte die ihre gestreift und ihre Hand gestreichelt. Wie gelähmt hatte Felicity seine Finger angestarrt, bevor sie ihre Hand weggerissen hatte, als habe sie sich verbrannt.
» Was tust du da?«, hatte sie ihn angefaucht. » Wieso fasst du mich an?«
Sein Blick war unschuldig gewesen.
» Wieso? Wir unterhalten uns doch bloß! Was um Himmels willen unterstellst du mir, nur weil ich auf brüderliche Weise deine Hand berühre?«
Seither achtete sie darauf, nicht mehr in seine Nähe zu kommen, jedenfalls nicht allein.
Sie ließ den Blick über das Deck schweifen. Eben noch hatte er mit der rothaarigen Claire zusammengestanden, nun war er auf einmal verschwunden. Harold
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