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Inseln im Wind

Inseln im Wind

Titel: Inseln im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Santiago
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fragte er.
    Sie nickte zögernd. Erleichtert erkannte sie, dass sein Ärger nicht ihr galt, sondern seinem Sohn. Linkisch hob er die Hand, um ihr das Haar aus dem Gesicht zu streichen. Tief ausatmend deutete er auf die Kiste, auf der vorhin noch Robert gesessen hatte.
    » Setz dich. Sonst fällst du noch um. Du bist weiß wie ein Laken.«
    Sie gehorchte und merkte dabei, wie ihr die Knie schlotterten. Harold hatte recht, sie war einer Ohnmacht nahe. Felicity hatte sich an ihm vorbeigezwängt und trat zu ihr. Rasch holte sie ein Fläschchen mit Riechsalz aus ihrem Beutel, um es vor Elizabeths Nase zu schwenken. Doch die schob es sofort weg, weil die durchdringenden Dünste nur wieder ihren Magen revoltieren ließen.
    » Du brauchst eine anständige Mahlzeit«, befand Harold. Sein Ton duldete keinen Widerspruch. » Wenn du nicht isst, wirst du verhungern. Ich werde den Koch beauftragen, dir Hühnersuppe zuzubereiten. Die hilft gegen alle Arten von Krankheiten.«
    » Hühnersuppe ist ein hervorragendes Heilmittel«, stimmte Felicity eifrig zu. » Sie täte dir gut, Lizzie!«
    » Ich würde sie nur wieder ausspucken.« Elizabeth hasste sich für den matten, elenden Klang ihrer Stimme. Wann hatte sie sich in ein derartig jammervolles Geschöpf verwandelt? » Aber ich werde versuchen, davon zu essen. Schlimmer als jetzt kann es auf keinen Fall werden.«
    Felicity runzelte die Stirn.
    » Für die Suppe müsste man ein Huhn schlachten«, meinte sie. » Ich hörte, sie sind nur zum Eierlegen da.«
    » Es wird Hühnersuppe geben«, sagte Harold, als hätte er daran nicht den leisesten Zweifel. Er ging zur Tür, wo er sich zu ihnen umwandte und Elizabeth mit gefurchter Stirn ansah. » Und was das andere angeht – ich spreche mit Robert. Mach dir keine Sorgen.«
    Im nächsten Moment war er gegangen. Elizabeth atmete hörbar aus. Felicity strich ihr übers Haar.
    » Es tut mir so leid«, sagte sie betreten. » Ich hätte schneller hier sein müssen. Aber ich dachte …« Sie brach ab, dann fügte sie zerknirscht hinzu: » Na ja, weil ihr doch verheiratet seid … Aber Harold kam ja gerade noch rechtzeitig, um …« Sie setzte sich neben Elizabeth und streichelte ihre Hand. » Robert … Er ist … ungewöhnlich triebhaft, glaube ich.«
    » Sind nicht alle Männer so?« Elizabeth konnte nicht umhin, an Duncan zu denken. An den hitzigen, blindlings und in rücksichtslosem Tempo vollzogenen Akt bei dem alten Cottage. Im Grunde war er kaum anders zu Werke gegangen als Robert. Nur, dass sie sich dabei anders gefühlt hatte.
    Felicity schüttelte entschieden den Kopf.
    » Auf keinen Fall! Niklas ist nicht so! Er würde niemals so … über eine Frau herfallen. Obwohl auch er zweifellos in all den Wochen auf See gelegentlich an Einsamkeit leidet.«
    » Was ist davon zu halten, dass Harold mir Hühnersuppe kochen lässt?«, fragte Elizabeth, unvermittelt das Thema wechselnd.
    » Er nimmt Anteil an deinem Wohlergehen«, sagte Felicity, doch es klang, als würde sie es selbst nicht recht glauben. » Eigentlich finde ich es sonderbar. Genauso wie seine letzte Bemerkung. Es klang, als wolle er Robert von dir fernhalten. An sich hätte ich ihn eher so eingeschätzt, dass er Roberts … äh … Interessen unterstützen würde. Schließlich bist du Roberts Frau, und er hätte im Grunde das Recht zu … na ja, dazu.« Tröstend fuhr sie fort: » Keine Sorge, künftig passe ich besser auf dich auf. Ehemann hin oder her – ich werde nicht zulassen, dass er sich dir noch einmal unter diesen entwürdigenden Umständen nähert.« Forschend blickte sie Elizabeth an. » Du siehst schon besser aus. Ich könnte schwören, dass etwas Farbe in deine Wangen zurückgekehrt ist.«
    Elizabeth stand auf, ein wenig schwankend noch, aber entschlossen. Ihr Magen wollte gegen die Bewegung protestieren, doch sie ignorierte es nach Kräften.
    » Wo ist mein Kamm? Und ich brauche eine Schüssel mit Wasser, damit ich mir das Gesicht waschen kann.«
    » Oh, das klingt gut!«, sagte Felicity erfreut. » Fast so wie meine alte Lizzie!«
    » Die alte Lizzie hat lange genug hier drin gesessen, allein mit ihrem Kübel und ihrem Elend als Gesellschaft. Höchste Zeit, an die frische Luft zu gehen.«
    9
    H arold brauchte nicht lange nach Robert zu suchen. Das Achterschiff war von seiner Anordnung her überschaubar und rasch abzugehen. Hätte Robert sich wirklich verstecken wollen, hätte er sich einen Winkel in den unteren Decks gesucht, dort gab es genug dunkle Ecken, in

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