Inseln im Wind
denen ein Mann lange unentdeckt bleiben konnte. Er hatte sich ein Deck tiefer hinter das Gangspill vor der Großen Kajüte zurückgezogen, wo er mit bockiger Miene an der Wand hinterm Steuerhaus lehnte, die Arme abwehrend verschränkt und den Blick auf seine Schuhe geheftet.
» Du verdammter Idiot«, fuhr Harold ihn an.
» Ich war im Recht«, trumpfte Robert auf. Seine Wangen waren rot angelaufen, er wirkte schuldbewusst, auch wenn seine Worte einen anderen Eindruck erwecken sollten. » Sie ist meine Frau, und es gehört zu ihren Pflichten …«
» Schweig!«, donnerte Harold. Er gab sich keine Mühe, seinen Zorn zu verbergen. Um seinem Befehl Nachdruck zu verleihen, versetzte er Robert eine schallende Ohrfeige, mit dem Ergebnis, dass ihm die Handfläche davon brannte und Robert sich lediglich beleidigt die Wange rieb.
Es juckte Harold in den Fingern, Robert eine richtige Tracht Prügel zu verpassen. Hätte er jetzt eine Peitsche zur Hand gehabt, wäre sie zweifellos zum Einsatz gekommen. Kurz schoss ihm durch den Kopf, wie oft er sie für gewöhnlich in Gebrauch hatte und wie seltsam es doch war, dass er nun schon seit so vielen Wochen keine benutzte. In Momenten wie diesem hier schmerzte der Verzicht darauf fast körperlich. Je kräftiger man jene, die es verdienten, züchtigte, umso eher hatten sie Achtung vor einem. Ein paar gezielte Hiebe mit der Peitsche, und Robert, dieser missratene Schürzenjäger, würde während der restlichen Reise ganz gewiss seinen verdammten Schwanz in der Hose lassen, auch ohne dass man es ihm erst lang und breit erklären musste.
» Was glaubst du, was sie als Erstes tun wird, wenn wir auf Madeira anlegen?«, fuhr Harold seinen Sohn an.
Robert ließ die Hand von seiner Wange sinken und blickte Harold besorgt an.
» Du meinst … Sie könnte versuchen, wieder zurückzufahren?« Seine Miene hellte sich sofort auf. » Aber wir haben die Mitgift. Das ist doch das Wichtigste!«
» Schrei doch noch lauter, damit es auch ja alle auf dem Schiff hören!«
» Aber Vater …«
» Vater, Vater«, äffte Harold ihn nach. » Kannst du vielleicht auch ein einziges Mal deinen Verstand benutzen statt immer nur das Ding in deiner Hose? Habe ich dir nicht oft genug erklärt, was wir wirklich brauchen? Na?!«
» Einen Erben, der unsere Linie fortsetzt«, sagte Robert. Es klang leiernd, fast wie ein Gebet, das er schon oft gehört hatte und daher ohne zu überlegen nachsprechen konnte.
Harold knirschte mit den Zähnen. » Du sagst es«, versetzte er mit eisigem Sarkasmus.
» Aber Vater, immerfort erzählst du mir, dass wir einen Erben brauchen, aber ich bin doch dein Erbe!« Wieder sprach Robert in diesem klagenden Ton, der Harolds Geduld auf die Probe stellte und seinen Ärger reizte. Doch er stellte die Vernunft über den Drang, seinem Sohn die beschämende Wahrheit ins Gesicht zu brüllen: Die Hoffnung, dass Robert sich je würdig erweisen werde, das Lebenswerk seines Vaters in gebührender Weise zu erhalten, hatte er schon vor Jahren aufgegeben. Irgendwann – er hätte nicht einmal mehr genau sagen können, wann es geschehen war – hatte er sich der Erkenntnis gestellt, dass aus Robert niemals ein tüchtiger Grundherr werden würde. Er war nur in einer Sache richtig gut – es mit allen Frauen zu treiben, die seinen Weg kreuzten. Fast schien es Harold, als habe Robert nie im Leben andere Interessen gehabt, richtige Interessen, die dem Geschäft genutzt hätten. Es war dem Jungen immer nur darum gegangen, welches Frauenzimmer er als nächstes vögeln konnte. Davon abgesehen mochte er sich höchstens für die Jagd begeistern oder für das sinnlose Sammeln und Abfeuern von Pistolen.
» Es ist ein Fehler, nur von einer Generation zur nächsten zu denken«, sagte Harold kalt. » Wir müssen weit in die Zukunft planen. Schon jetzt gehört uns fast ein Viertel des bepflanzten Grunds auf Barbados. Wenn ich einst sterbe, sollte es mindestens die Hälfte sein. Meinem Enkel soll einmal alles gehören. Nicht nur Rainbow Falls. Sondern die ganze Insel.«
Robert schluckte. Es war klar, was ihm durch den Kopf ging: Er selbst war bestimmt nicht der Mann, der das Familienvermögen um die fehlende Hälfte mehren konnte. Er schaffte es ja nicht einmal, länger als ein paar Tage am Stück auf der Plantage zu bleiben, geschweige denn, sich gründlich die Bücher anzusehen oder die eingehenden Warenlieferungen zu prüfen, obwohl das seine Fähigkeiten ganz gewiss nicht überfordert hätte.
Der Junge war,
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