Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Inseln im Wind

Inseln im Wind

Titel: Inseln im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Santiago
Vom Netzwerk:
rutschen.
    Es hatte angefangen zu regnen, sturzartige Wasserfälle, die von allen Seiten zugleich kamen. Eine harte Bö schlug von der Seite eine undurchdringliche Regenwand über das Deck und verwandelte es in eine tödlich glatte Rutschbahn. Ein gewaltiger Brecher, höher als alle bisherigen, stürzte wuchtig über die Reling und flutete den Steuergang. Elizabeth stand für einen Augenblick bis zu den Knien im brodelnden Wasser, sie schnappte nach Luft und schrie auf, eher überrascht als vor Angst. Ihre Hände zitterten, so fest hielt sie den Spillspaken umklammert.
    » Besser, Ihr geht rein, Mylady!«, brüllte der Steuermann über die Schulter.
    Doch das Naturschauspiel der wütenden See hatte sie völlig in seinen Bann geschlagen. Atemlos beobachtete sie die Furcht einflößenden Wellenberge, die fast doppelt so hoch waren wie das Schiff und es bei jedem Ansturm hochhoben wie eine Nussschale, es herumschleuderten, als wäre es das Spielzeug eines Kindes. Der Fockmast bog sich unter protestierendem Knarren, Vandemeer brüllte weitere Befehle. Auch er hatte sich mit einem Seil um die Hüfte festgebunden.
    Der Himmel hatte eine eigentümliche, fremdartige Färbung angenommen, er glühte in einer Mischung aus Tiefrot und Grün. Grünlich leuchtete auch das heranrasende Ungeheuer, das sich mit einem Mal brüllend aus dem Meer erhob und gierig sein schaumgezähntes Maul über der Eindhoven aufriss.
    Elizabeth sprang mit wenigen langen Sätzen hinüber zur Großen Kajüte und konnte gerade noch die Tür hinter sich zuschlagen, als die mächtige Sturzsee krachend die Aufbauten traf. Das Schiff wurde herumgeworfen und legte so weit über, dass Elizabeth hinfiel und haltlos rutschend quer durch den Raum schoss. Während sie verzweifelt versuchte, sich irgendwo festzukrallen, hörte sie die Französinnen aufschreien. Männer fluchten, einer stammelte ein Gebet. Ein Krachen erfüllte die Luft, es war so laut, dass sogar das Tosen des Orkans davon übertönt wurde. Ein Kreischen wie von einem sterbenden Lebewesen, begleitet von einem mahlenden Dröhnen.
    » Um Gottes willen, was war das?«, schrie Felicity.
    Das Schiff krängte so stark, dass die Seitenwand zum Fußboden wurde, auf den alle rollten oder fielen. Eine der Französinnen landete aufkreischend auf Elizabeth, die immer noch stöhnend versuchte, Halt zu finden. Die Kajütentür krachte unter dem Andruck der nächsten Sturzsee auf, eine im Licht der Deckenlaterne graugrün schimmernde Wasserlawine brach in den Raum, packte die Menschen und wirbelte sie herum und durcheinander, bis niemand mehr wusste, wo oben und unten war. Gliedmaßen verhakten und verrenkten sich, Körper stießen gegeneinander, während jeder darum kämpfte, irgendwie den Kopf aus dem Wasser zu strecken und nach Luft zu ringen.
    » Kappen! Kappen!«, war durch das brausende Unwetter die Stimme des Kapitäns zu hören. » Äxte her!«
    Die Laterne erlosch zischend in dem zurückflutenden Wasser. Dennoch konnten sie durch die aus den Angeln geschlagene Tür sehen, was geschehen war. Der Großmast war seitlich weggebrochen und hing nur noch an den Trossen. Und nun drohte er das kreiselnde Schiff mit allen Menschen, die sich darauf befanden, hinab in die alles verschlingende Tiefe zu ziehen.
    12
    A uch die Elise segelte in diesem Tropensturm, jedoch ein gutes Stück entfernt von seinem Zentrum. Dennoch waren die orkanartigen Windstöße so hart, dass Duncan Haynes und seine Männer alle Hände voll zu tun hatten, das Schiff vor dem Kentern zu bewahren. Einer der Matrosen war beim Einholen der Toppsegel ins Meer gestürzt und im wirbelnden Strudel versunken, bevor die übrigen richtig gewahr wurden, was geschah. Einen weiteren hatte es beim Hantieren mit den Drehbassen erwischt – eine weiße Bö hatte ihn ins Speigatt rutschen lassen, und die Kanone, die er hatte sichern sollen, war auf ihn gefallen. Er hatte eine Menge Blut gespuckt, bevor einer der Matrosen ihn unter Deck geschleppt hatte.
    Dennoch konnten sie hart am Wind segeln, die Elise flog auf und ab, tief in die Wellentäler gleitend und sogleich wieder emporsteigend wie ein Himmelsdrache. Fiebernd vor Erregung beobachtete Duncan die kochende See, die heranrollenden, von heller Gischt gekrönten Brecher. Wie aus dem Nichts tauchte ein Albatros über dem brodelnden Wasser auf, schwebte im Gleitflug wie ein Wesen aus einer anderen Welt dahin, die enormen Schwingen weit ausgebreitet und die Augen wie starres, dunkles Glas. Das brüllende

Weitere Kostenlose Bücher