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Inseln im Wind

Inseln im Wind

Titel: Inseln im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Santiago
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Vormittags wurde der Wind stärker. Als sie gegen Mittag in der Großen Kajüte zusammen mit den übrigen Passagieren auf den Wandbänken saßen und das übliche karge Mahl aus Linsen, Pökelfleisch und Schiffszwieback verzehrten, schwankte das Schiff immer mehr. In den Näpfen schwappte das Essen über, und die Passagiere mussten sich mit Füßen und Rücken gegen die rollenden Bewegungen stemmen, um nicht auf den Bänken hin und her zu rutschen.
    Der Wind hatte sich zu einem Brausen erhoben, man hörte das Schlagen der Segel und das Ächzen des Rumpfs durch die Bretterwände, während die Eindhoven von den hohen Kämmen der Wellen tief hinab ins nächste Tal sank.
    Das Schiff fuhr unter vollen Segeln; Niklas Vandemeer stand über den großen Kartentisch gebeugt und stellte mit nautischen Instrumenten Kursberechnungen an. Er erklärte, dass der Wind ausgenutzt werden müsse, solange es noch ging. Manchmal, so meinte er, gelinge es, dem Sturm auf diese Weise davonzufahren, auch wenn es in diesem Fall wohl nicht anzunehmen sei.
    » Könnte es ein Ouragan werden?«, fragte eine der jungen Französinnen in gebrochenem Englisch. » So ein Tropensturm, bei dem sogar große Schiffe sinken können?« Sie blickte ängstlich drein.
    » Nun, wir wollen nicht den Teufel an die Wand malen. So schnell geht ein tüchtiges Schiff wie die Eindhoven ganz sicher nicht unter, und ein Hurrikan kommt auch nicht alle Tage vor«, meinte Niklas, doch der ernste Ausdruck in seinem Gesicht strafte seinen beschwichtigenden Tonfall Lügen.
    Die Kaufleute wechselten besorgte Blicke.
    » Wir sollten noch rasch nach der Ladung sehen«, meinte der Onkel des Kapitäns. Er und sein Teilhaber erhoben sich eilig und verließen torkelnden Schritts die Kajüte.
    Elizabeth erschrak.
    » Mein Pferd!« Hastig sprang sie auf. » Ich muss mich um Pearl kümmern!«
    Harold Dunmore hielt sie am Arm fest.
    » Ich habe vorhin schon den Verschlag mit reichlich Stroh ausgepolstert und ihr einen Bauchgurt angelegt, der sie von beiden Seiten hält. Mehr können wir nicht tun.«
    Erstaunt über so viel vorausschauende Umsicht sah sie ihren Schwiegervater an. » Ich danke dir«, sagte sie ein wenig unbeholfen.
    Er nickte stumm und ließ zögernd ihren Arm los. Der unsichere Anflug eines Lächelns schien die Schroffheit seiner Züge für einen Augenblick abzumildern, doch dann versank er wieder in brütendes Schweigen.
    Der Sturm kam schneller als erwartet. Kaum hatte der Kabinenjunge das benutzte Geschirr und die Essensreste weggeräumt, eilte Vandemeer zurück nach draußen und gab mit brüllender Stimme das Kommando, einen Teil der Segel zu reffen. Elizabeth hielt es nicht in der stickigen, überhitzten Kajüte. Sie stand auf und strebte zur Tür.
    » Wo willst du hin?«, wollte Felicity wissen.
    » Ich sehe nach Pearl.«
    » Das lässt du bleiben«, erklärte Harold Dunmore mit befehlsgewohnter Stimme. » Ich sagte doch, ich habe sie schon angegurtet. Außerdem sollst du nicht allein in den Laderaum gehen. Dort treibt sich reichlich Gesindel herum.«
    Elizabeth war bereits an der Tür. Sie hielt unbeirrt an ihrem Vorhaben fest. » Ich werde schon Acht geben.«
    Sofort erhob sich William Noringham von seinem Platz.
    » Ich begleite Euch.«
    Harold warf ihm einen wütenden Blick zu.
    » Wir brauchen keinen Wichtigtuer, der sich um uns kümmert.« Er stand ebenfalls auf und rempelte William dabei an, sodass dieser zurück auf die Bank fiel. Der junge Pflanzer runzelte indigniert die Stirn, sagte aber nichts.
    Elizabeth folgte Harold über den großen Niedergang vom Achterschiff zur Ladeluke. Der Wind wehte nun so heftig, dass er an Elizabeths Röcken zerrte. Über ihnen schlug knatternd das Toppsegel am Großmast; ein Teil der Mannschaft hing in den Wanten, um es aufzugeien. Andere waren hektisch damit beschäftigt, die mittschiffs befestigte Pinasse mit zusätzlichen Tauen zu sichern.
    Harold ging voraus in den Bauch des Schiffes, bahnte Elizabeth mit einer hochgehaltenen Laterne den Weg vorbei an den stinkenden Mannschaftsquartieren und den vielen Ballen und Kisten der Ladung, bis tief hinein in den vorderen Laderaum, wo die Tiere in ihren Boxen angebunden waren. Elizabeth hatte sich bereits mehr als einmal verflucht, dass sie Pearl überhaupt mitgenommen hatte. In dem engen Verschlag war die Stute hilflos dem Rollen des Schiffs ausgeliefert, Tag und Nacht gefangen in der lichtlosen Enge, ohne jede Möglichkeit, ihrem angestammten Instinkt zu folgen, der ihr befahl,

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