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Inseln im Wind

Inseln im Wind

Titel: Inseln im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Santiago
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Chaos schien ihn nicht zu tangieren. Unmittelbar vor dem nächsten Wellenberg glitt er aufwärts und geriet außer Sicht. Duncan lachte jubelnd auf. Er hatte schon manchen Sturm durchsegelt, doch er hätte schwören können, dass die Elise noch nie so schnell und so hoch am Wind gefahren war wie dieses Mal. Der Schiffsjunge wäre beim Auswerfen des Logscheits fast über Bord gegangen.
    Ein wildes Triumphgefühl hatte Duncan erfasst, das jedoch ein jähes Ende fand, als sich unter einer der nächsten Böen die Marsstenge mit einem lauten Krachen aus der Verankerung riss und wie ein riesiger, schwankender Sturmvogel davonflog, jedoch nur bis zum Bugspriet, wo sie sich verfing. Sofort lief das Schiff aus dem Ruder, und als wenig später haushohe Wogen über das Schiff krachten, sah es eine Zeit lang so aus, als müssten sie nicht nur die Elise verloren geben, sondern alle mit ihr untergehen.
    Duncan löste das Seil, das er sich um die Taille gespannt hatte, und hastete über das hochsteigende Deck, sich bei jedem Wellenschlag mit beiden Händen an allem festklammernd, was sich ihm darbot. Mit einem der Männer erklomm er den Bugspriet, gemeinsam hackten sie mit Messern und Beilen auf die verstrickten Seile ein. Von der tosenden See kaum eine Handbreit entfernt und mehrmals fast hinabgerissen, schlugen sie mit Brachialgewalt alles weg, was sie erwischen konnten, bis sie die Überreste der Stenge endlich aus dem vertörnten Wust herausgeschnitten hatten und das Klüversegel wieder setzen konnten. Keinen Augenblick zu früh, denn das Schiff hatte sich bereits quer zum Wind gedreht und torkelte wie ein alter Säufer kurz vor der Ohnmacht. Duncan hielt die Luft an. Das nächste Wellengebirge begann sich achtern schon aufzutürmen. Nur zögernd schien das Segel sich zu füllen, doch dann blähte es sich mit einem Ruck. Das Schiff nahm wieder Richtung auf und legte sich vor den Wind, wurde von ihm weitergetrieben statt herumgeschleudert. Sie waren noch einmal davongekommen.
    Inmitten des jagenden Sturms kämpfte sich Duncan über das Deck. Einmal rutschte er weg und wäre fast über Bord geschlittert. John Evers, der Bootsmann, warf ihm gerade noch einen Tampen zu, an den er sich klammern konnte. Duncan kämpfte sich wieder hoch, bedankte sich höflich und machte eine schnelle Bestandsaufnahme der Schäden. Zwei Mann tot (der Verletzte hatte nicht überlebt), ein halbes Dutzend verwundet, davon ein Vollmatrose schwer – eine schlimme Kopfverletzung, der Mann war bewusstlos und blutete wie abgestochen. Einer der anderen war bereits dabei, ihn notdürftig zu verbinden. An Deck sah es wüst aus, doch waren die Schäden nur oberflächlicher Natur. Reichlich Segeltuch war zerrissen, ein paar Spieren gebrochen, die Bilge fast bis zum Absaufen vollgelaufen, doch damit würden sie fertig werden.
    Der Rudergänger konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Duncan ließ ihn ablösen und teilte die nächste Schicht zum Pumpen ein. Das Toben des Windes wurde allmählich leiser und setzte zwischendurch immer wieder aus, bis schließlich die schäumenden Wassergebirge zu einem erträglichen Rollen und die heftigen Böen zu einer steifen Brise abflachten. Irgendwann ließ sich auch die Sonne wieder blicken, sodass Duncan eine neue Peilung vornehmen und das Schiff auf Kurs bringen konnte. Sie liefen eine Weile vor dem Wind, eine immer glatter werdende See um sich herum, so weit das Auge reichte. Um die Mittagsstunde herum meldete der Ausguck Schiff voraus.
    Duncan nahm sein Fernrohr. Vielleicht hatte er Glück, und es war ein Spanier, der durch den Sturm von seinem Konvoi getrennt worden war. Sie konnten ein paar Rollen Tau brauchen, und Silber würde er gewiss auch nicht verschmähen. Durch das Rohr erkannte Duncan die Notflagge am Fockmast. Der Großmast war weggebrochen, die Speigatten lagen voller zerrissenem Takelwerk. Das Schiff schleppte sich dahin, kaum manövrierfähig mit den paar Fetzen Tuch, die noch heil geblieben waren. Es schien, als habe auch der Rumpf Schäden davongetragen. Einem Feind hätte der Kauffahrer nichts entgegenzusetzen gehabt. Zu rauben gab es dort trotzdem nichts, jedenfalls nichts für Duncan: Bei dem Havaristen handelte es sich um die Eindhoven.
    13
    C laire Dubois hatte sich auf dem Achterdeck der Elise einen Platz gesucht, von dem aus sie den Rest des Schiffs halbwegs gut überblicken konnte, ohne selbst gesehen zu werden. Ein Versteck konnte man es nicht direkt nennen, doch die Drehbasse, hinter der sie

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