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Inseln im Wind

Inseln im Wind

Titel: Inseln im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Santiago
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zu hören. Irgendwann holte Haynes tief Luft. » Verdammt«, sagte er gepresst. » Verdammt, verdammt.« Nach diesem wiederholten Fluch entfernte er sich in Richtung Niedergang und stieg hinab.
    Claire blieb hinter der Drehbasse auf dem Achterdeck sitzen. Der flammende Himmel verwandelte sich nach und nach in sternenübersäte, samtige Schwärze. Claire versuchte, die Sternbilder einzuordnen, doch sie konnte sie nicht auseinanderhalten, obwohl Robert schon einmal versucht hatte, ihr alles zu erklären, und ihr auch all die Namen genannt hatte. Ihr fiel ein, dass er ihr dabei übers Haar gestrichen hatte. Manchmal tat er solche vertraulichen Dinge, doch da seine andere Hand unter ihrem Rock umherwanderte, hatte sie dem keine besondere Bedeutung zugemessen. Robert hatte auch davon gesprochen, dass auf der Nordhalbkugel der Erde ganz andere Sterne zu sehen waren als im Süden. Ob das hier schon die südlichen Sterne waren? Nein, das konnte nicht sein, dazu hätten sie den Äquator passieren müssen, doch der lag noch ein ganzes Stück weiter südlich.
    Die Welt war verrückt. Robert durfte nicht mit seiner Frau schlafen, also trieb er es für Geld mit den Huren, und seine Frau, deren weibliche Empfindsamkeit nicht von der lüsternen Gier ihres Mannes strapaziert werden sollte, ließ sich von einem anderen hemmungslos im Stehen vögeln. Was wohl Harold Dunmore davon halten würde, sofern er es je erfuhr? Claire verschluckte sich an ihrem Kichern. Sie fröstelte trotz der Wärme der Tropennacht. Nach einer Weile fielen ihr die Augen zu, und sie schlief ein.
    14
    E lizabeth träumte in dieser Nacht wieder von dem Sturm. Seit der Hurrikan die Eindhoven fast zerschlagen und in die Tiefe gerissen hatte, hatte sie häufig Albträume, in denen sie von den turmhohen Brechern vom Deck des Schiffs gefegt wurde. Während das Wasser sie umtoste, versuchte sie, sich festzuklammern, doch immer wieder glitten ihre Hände ab, bis sie nur noch ins Leere griff. Diesmal war sie im Traum auf der Elise, und wieder bauten sich riesige Wogen auf, die sie zu verschlingen drohten. Inmitten der schäumenden Wasserwirbel suchte sie nach Duncan. Doch wohin sie auch schaute, er war nirgends zu sehen.
    » Wir sind da! Wir sind da!«
    Der Ruf ließ Elizabeth aufschrecken, schlagartig war sie wach. Felicity stand neben ihrer Hängematte und rüttelte so heftig an ihr, dass Elizabeth fast hinausfiel.
    » Barbados ist in Sicht! Komm mit, das musst du dir ansehen!«
    Elizabeth kämpfte sich aus der Hängematte und wich dabei Felicitys Blicken aus. Draußen war soeben die Sonne aufgegangen. Im Osten war der Himmel bereits von gleißender Helligkeit erfüllt, im Westen noch mattgrau von der schwindenden Nacht. Die meisten Passagiere standen an der Reling versammelt, den Schlaf noch in den Gesichtern. Elizabeth stellte mit raschem Rundblick fest, dass alle genauso übernächtigt und mitgenommen aussahen, wie sie selbst sich fühlte. Struppiges Haar, zerdrückte, fleckige Kleidung, säuerlicher Körpergeruch – alle hatten mit denselben Beeinträchtigungen zu kämpfen. Flüchtig ging ihr durch den Kopf, wie wenig es sie am Vorabend gestört hatte, dass sie seit so vielen Wochen ohne Bad und frische Kleidung auskommen musste. Es war ihr gänzlich egal gewesen, wie sie roch oder aussah. Das Verlangen, das sie in Duncans Armen empfunden hatte, war zu machtvoll gewesen.
    Verstohlen blickte sie sich nach ihm um. Zu ihrer Erleichterung stand er in sicherer Entfernung von ihr im Bug des Schiffes, das Fernrohr vor dem Auge. Gleich darauf ließ er es sinken und drehte sich nach achtern um, als hätte er Elizabeths Blicke gespürt. Einen Moment lang ruhten seine Augen auf ihr, dann wandte er sich wieder ab und brüllte einen Befehl.
    Elizabeth fühlte Hitze in ihre Wangen steigen. Das Blut strömte plötzlich mit Macht durch ihre Adern, sie musste nach Luft schnappen, als sei sie eine längere Strecke gerannt. Eilig schaute sie sich um, in der Sorge, jemand könne ihr am Gesicht ablesen, was sie am Abend zuvor getan hatte, doch niemand sah zu ihr hin – außer Felicity, die sich zweifellos Gedanken darüber machte, warum sich Elizabeth gestern so zeitig zur Ruhe begeben und dann auch noch im Kleid geschlafen hatte. Und noch jemand beobachtete sie: Claire Dubois. Die schöne rothaarige Französin taxierte sie auf eine gewisse neugierige Art, die Elizabeth beunruhigte. Betont gleichmütig trat sie ebenfalls zur Reling und entzog sich Claires Blicken, indem sie sich

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