Inseln im Wind
Seite.
» Ich will dich vergessen.«
Seine Hand griff in ihr Haar, hielt sie sacht, aber bestimmt fest, sodass sie ihn ansehen musste.
» Du lügst.«
» Ich bin verheiratet«, sagte sie. Es sollte kalt und spröde klingen, doch die Verzweiflung war nur einen Wimpernschlag entfernt.
» Mit einem Mann, der dich nicht anrührt, aber dafür den Französinnen nachsteigt, als gelte es sein Leben«, spottete er sanft.
» Woher willst du das wissen?«, fragte sie gereizt zurück.
» Das hier ist ein Schiff, und ich bin der Kapitän«, sagte er, als sei diese Tatsache zugleich eine ausreichende Begründung dafür, dass er über alles informiert war, was sich an Bord abspielte. Vielleicht traf das zu, doch gab es ihm nicht das Recht, sich auf solche Weise in ihr Leben einzumischen.
» Das alles geht dich gar nichts an«, sagte sie schroff.
Er blickte sie forschend an.
» Es war ein Fehler, ihn zu heiraten«, stellte er fest.
» Anscheinend ist es meine Art, lauter falsche Dinge zu tun.«
Er zögerte, dann nickte er, als sei das eine bedenkenswerte Schlussfolgerung.
» Wir alle machen Fehler«, räumte er ein. » Ich vermutlich noch mehr als du.«
Diese Feststellung hielt ihn jedoch nicht davon ab, seine Hand unter ihr Kinn zu legen und es anzuheben. Mit einem Mal war er ihr gefährlich nah. Sie wollte zurückweichen, doch hinter ihr war nur das Meer. Die Sonne, eine gewaltige rotgoldene Scheibe, die flimmernd in den Ozean tauchte und dabei den Himmel in Brand setzte, schien auch Elizabeths Haut zu versengen, doch sie wusste, dass die Hitze, die sie spürte, nicht daher rührte, sondern durch Duncans Nähe entstanden war. Als er sich über sie beugte und sein Atem ihre Lippen traf, konnte sie nur noch flüstern.
» Und wenn man uns sieht?«
» Niemand sieht uns. Ich bin verrückt nach dir und muss dich noch mal haben, Lizzie.«
» Nein, das dürfen wir nicht«, protestierte sie, doch es klang wenig überzeugend.
Ihren Einwand missachtend, küsste er sie, zuerst sacht, dann heftig. Dabei umfasste er sie und drängte sie gegen die Seitenwand der Hütte. Seine Hände fuhren unter ihr Gewand, fanden ihre nackte Haut, umfassten ihre Hüften, und sein Kuss wurde so verzehrend, dass die Flammen aus dem Meer zu ihr aufstiegen und sie lodernd vergehen ließen.
Claire hielt in ihrem Versteck den Atem an. Bei allen Teufeln, das hatte sie lange nicht erlebt – ihr war heiß vor Erregung, und das, obwohl sie hier reglos auf der harten Taurolle hockte und kein Mensch sie berührte. Der Kapitän und die höhere Tochter, wer hätte das gedacht? Die beiden fackelten nicht lange. Was immer das Mädchen vorher an Aversionen gegen den Freibeuter gehegt hatte, unter dem Ansturm seiner Küsse schmolz ihr Widerstand wie Butter in der Sonne. Sofern sie überhaupt welchen geleistet hatte. Eher klang es danach, dass sie sich willenlos ergab. Und dabei voll auf ihre Kosten kam, wie Claire an ihrem stoßweisen Stöhnen und nur wenig später an den schwachen, erstickt klingenden Aufschreien hören konnte. Hielt dieser Kerl ihr etwa den Mund zu? Aber vielleicht küsste er sie auch. Jedenfalls klang es so. Das Küssen war eine Sache, mit der Claire weniger zu tun hatte, es war kein Teil ihrer Dienste. Küsse waren wirklichen Liebhabern vorbehalten, den Männern, die ihr Herz gewonnen hatten. Von denen hatte sie in ihrem ganzen Leben erst zwei gekannt und dabei erfahren, was es bedeutete, wenn das geschenkte Herz zerrissen und achtlos in den Staub getreten wurde.
Jedenfalls hatte Duncan Haynes leichtes Spiel mit dem Mädchen gehabt. Sie war jung und unerfahren, wie ein Kind, das seine Gefühle nicht unter Kontrolle hatte. Der Liebesakt war vorbei, Claire hörte nur noch das sich allmählich beruhigende Seufzen und das Rascheln von Kleidung, die zurechtgezupft wurde. Dann war es still. Ob die beiden einander jetzt in den Armen hielten? Strich er ihr übers Haar, so wie Männer es bei Frauen taten, die sie gernhatten? Claire versuchte, es sich vorzustellen, doch das Bild blieb verschwommen. Nach einer Weile hörte sie davonhuschende Schritte, Elizabeth verließ das Deck. Gleich darauf ertönte die Stimme von John Evers.
» War es das?«, rief der Bootsmann leise. » Bist du fertig?«
» Fürs Erste«, gab Haynes zurück. Es sollte gelassen klingen, doch Claire hörte die frustrierte Ratlosigkeit in seiner Stimme.
Haynes blieb an der Reling stehen, Claire vernahm sein Atmen. Evers hatte sich verzogen, jedenfalls war von ihm nichts mehr
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