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Inseln im Wind

Inseln im Wind

Titel: Inseln im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Santiago
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verschwamm. Mitten im tiefsten Dickicht konnte man auf solche wundersamen Bilder stoßen und sich daran erfreuen. Der Gedanke, dass immer mehr von diesen üppigen tropischen Wäldern den Äxten der Pflanzer zum Opfer fielen, hatte für Elizabeth etwas Beängstigendes. All die mächtigen Bäume mit ihrem verschlungenen, dachartigen Geäst waren in Hunderten von Jahren gewachsen, doch für die sich nach allen Seiten ausdehnenden Zuckerplantagen waren sie nur lästige Hindernisse.
    Sie strich sich das feuchte Haar aus dem Gesicht und zupfte an ihrem Mieder. Sie hatte es bereits so weit wie möglich gelockert, noch mehr konnte sie es nicht aufschnüren, sonst würde das Hemd anfangen zu flattern und die nackte Haut zum Vorschein kommen, was nur weitere Mücken anziehen würde. Von unerwünschten Blicken ganz zu schweigen.
    Die wohlanständigen Gattinnen der alteingesessenen Pflanzer betrachteten Elizabeths Art, mit geschürzten Röcken im Herrensattel zu reiten, mit Missfallen. Die Hoffnung, auf Barbados sei man in solchen Dingen freier, hatte sich bald nach ihrer Ankunft zerschlagen. Mochte Bridgetown auch in weiten Teilen das reinste Sündenbabel sein, so wurden doch von den selbsternannten Tugendwächterinnen die puritanischen Ideale hochgehalten und gegen alle schädlichen Einflüsse verteidigt, ob diese nun von royalistischen Umtrieben ausgingen oder von respekt- und sittenlosen Frauenzimmern in ihren eigenen Reihen.
    Elizabeth wusste, dass sie aufgrund ihres einflussreichen Schwiegervaters eine Vorzugsstellung genoss. So wie sie schon in England nicht viel auf die öffentliche Meinung hatte geben müssen, war sie auch hier auf Barbados nicht darauf angewiesen, sich mit Moralaposteln oder selbstgerechten Klatschweibern gutzustellen. Weder ihr Vater hatte ihr Vorschriften gemacht, noch tat es Harold Dunmore. Die meiste Zeit war er sowieso nicht in der Stadt, da er fast die ganze Woche auf Rainbow Falls zubrachte, wo er von früh bis spät die Oberaufsicht über die Zuckergewinnung und die Arbeiter führte.
    Einmal hatte Elizabeth bei einem Dinner unabsichtlich vom Nebenraum aus mit angehört, wie eine Pflanzersgattin ihn auf die freizügige Art seiner Schwiegertochter angesprochen hatte. Harold hatte abweisend erklärt, wem es hier nicht sittenstreng genug zugehe, möge doch ganz einfach zu den Fanatikern nach Neuengland weiterziehen. Er selbst sei von England nach Barbados gekommen, um als freier Mensch in einem freien Land zu leben, und dasselbe gestehe er auch den Seinen zu. Und das tat er wirklich. Er verbot ihr keinen ihrer Ausritte. Vielleicht meinte er auch, dass ihr diese kleinen Freizügigkeiten als Ausgleich für Roberts Eskapaden zustanden.
    Mit seinem Wissen hatte sie sogar unter Deirdres Anleitung schwimmen gelernt, denn sie hatte herausgefunden, dass das auf einer Insel wie Barbados eine nützliche Fertigkeit und obendrein ein höchst angenehmer Zeitvertreib war. Natürlich tat sie es nicht vor aller Augen, sondern in einer versteckten Bucht, abseits von allen menschlichen Behausungen, wo sie unbekümmert aus ihren Kleidungsstücken schlüpfen und ins kristallklare Wasser springen konnte, ohne dass sofort alle Welt darüber munkelte.
    Auch an diesem Nachmittag waren sie und Deirdre wieder schwimmen gewesen. An Leib und Seele erfrischt machten sie auf ihrem Rückweg einen Schlenker durch das Landesinnere, denn Elizabeth hatte noch keine Lust, schon so zeitig nach Bridgetown zurückzukehren. Ihr graute vor der heutigen Feier und den erwarteten honorigen Herrschaften in ihren steifen Gewändern. Zum Glück waren William und Anne Noringham sowie die Stiefmutter der beiden, Lady Harriet, ebenfalls eingeladen, immerhin ein Lichtblick. Doch die Übrigen würden mit der gewohnten Verachtung auf sie und Robert herabsehen und hinter ihrem Rücken Lästereien anstimmen. Einiges von dem Gerede mochte zwar auf Elizabeths eigenwilliges und wenig angepasstes Verhalten zurückzuführen sein. Der größte Teil aber ging auf Roberts Konto. Er versuchte gar nicht erst, seine hemmungslose Vielweiberei zu verheimlichen. Es verging kaum eine Woche, in der Elizabeth nicht auf die eine oder andere Weise erfuhr, dass er wieder mit einer anderen Frau gesichtet worden war. Dienstmädchen, Huren, sogar Töchter aus gutem Hause – keine hübsche junge Frau war vor ihm sicher. Dank seines Charmes und seines strahlenden Aussehens hatte er dabei nur allzu leichtes Spiel. Es hieß, dass schon mindestens ein halbes Dutzend Sprösslinge

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