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Inseln im Wind

Inseln im Wind

Titel: Inseln im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Santiago
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zwischen einen der Holländer und William Noringham stellte. Letzterer begrüßte sie erfreut.
    » Guten Morgen, Mylady! Unser Ziel ist nicht mehr fern. Seht nur!«
    Ihr Blick folgte der Richtung, in die seine ausgestreckte Hand wies. In der Ferne war ein bläulicher Schatten auszumachen, noch kaum als Landmasse zu erkennen. Doch nun hatte sich die Sonne zu voller Strahlkraft erhoben. Von Horizont zu Horizont spannte sich der Himmel in gleißendem Blau. Das Meer glitzerte türkisfarben, so klar und durchscheinend, dass man unter der Oberfläche Fische vorbeischießen sah, die schimmernden Leiber wie Pfeile ausgerichtet.
    Ein Ausruf des Erstaunens war an Deck zu hören, als der Schwarm unvermittelt die Oberfläche durchstieß und weit durch die Luft flog, die Flossen wie Schwingen ausgebreitet, sodass sie wie eine Kreuzung aus Fisch und Vogel anmuteten. Entzückt und fasziniert beobachtete Elizabeth die blitzartig davonsegelnden Kreaturen. Sie hatte davon gelesen, dass es in tropischen Gewässern solche Meerestiere gab, doch bislang hatte sie vergeblich danach Ausschau gehalten. Der Anblick verschlug ihr den Atem.
    Das intensive Türkis des Wassers schmerzte fast in ihren Augen, und als die Elise unter vollen Segeln weiter auf den vagen Schatten am Horizont zusteuerte, wurde langsam die Küste von Barbados sichtbar. Von sattem Grün bewachsen, gesäumt von weißen Stränden und umgeben von schäumenden Wellen, erhob sich die Insel aus dem rosafarbenen Muschelkalk, der sie mit den Tiefen des Meeres verband. Elizabeth seufzte unwillkürlich, denn der Anblick war so schön, dass ihr die Brust davon weit wurde.
    Robert schob William Noringham zur Seite. Er trat zu Elizabeth und legte ihr den Arm um die Schulter.
    » Dein neues Zuhause. Ist es nicht wundervoll, Lizzie?«
    Sein Griff war leicht, er versuchte nicht, sich ihr aufzudrängen, und doch zuckte sie zusammen, als sei sie jäh aus einem Traum erwacht.
    » Ja«, sagte sie leise. » Es ist wundervoll.«
    Sie konnte nicht anders, sie musste noch einmal zum Bug hinübersehen. Dort stand Duncan, und wie aus einer geheimen Übereinkunft heraus trafen sich erneut ihre Blicke. Sie konnte seinen Gesichtsausdruck nicht richtig erkennen, denn die gleißende Sonne behinderte ihre Sicht. Dennoch meinte sie zu spüren, wie er sie betrachtete – und sie ahnte, dass er sie nicht auf dieselbe Weise ansah wie das Meer.

Dritter Teil
    Barbados
    Spätsommer 1651

15
    E lizabeth lenkte Pearl durch dichte Farne und buschig verwachsenes Gehölz, an tief hängenden Lianen und den stelzenförmig auseinanderstrebenden Wurzeln eines Baumriesen vorbei. Deirdre folgte ihr etwas langsamer auf dem gedrungenen Wallach, einem von Roberts Reitpferden, das für seinen Geschmack zu alt geworden war.
    Die junge Irin war Schuldmagd bei den Dunmores, eine Dienerin mit langjährigem Arbeitskontrakt, von denen es viele auf Barbados gab. Elizabeth hatte das Mädchen in den zweieinhalb Jahren, die sie nun schon auf der Insel lebte, ins Herz geschlossen. Von allen Hausmägden war Deirdre ihr die liebste. Sie sprach nicht viel, erledigte ihre Aufgaben rasch und umsichtig und beklagte sich nie, auch nicht, wenn Elizabeth, wie so häufig, spontan den Entschluss zum Ausreiten oder Schwimmengehen fasste und dafür eine Begleitung brauchte.
    Das rotbraune Haar hing dem Mädchen in wirren Locken ins Gesicht. Die sommersprossige Nase war von der Sonne gerötet, die rechte Schulter, die nackt und gebräunt aus dem nachlässig herabgerutschten Hemd lugte, von niedrig hängenden Ästen zerkratzt. Sie sah zugleich sinnlich und unschuldig aus, und Elizabeth bekam bei diesem Anblick einen ungefähren Eindruck davon, wie sie selbst auf Betrachter wirken mochte, breitbeinig und mit nackten Schultern und Waden auf dem Pferd sitzend, das Haar offen und das Gesicht von Schweißperlen übersät.
    Die Luft war feucht, es hatte gerade erst geregnet. Der Wald war erfüllt vom Dampf der rasch verdunstenden Feuchtigkeit und von den Gerüchen der Pflanzen, satt und schwer wie ein würziger, von Myriaden winziger Tröpfchen erfüllter Nebel. Mückenschwärme tanzten auf der Lichtung vor ihnen, und Elizabeth schlug zwei von den gierigen Saugern tot, die sich auf ihrem Arm niederlassen wollten.
    Sie ließ Pearl kurz halten, um eine gewaltige, in leuchtendem Purpur blühende Blume zu betrachten. Kolibris umschwirrten die Blüten und tranken von ihrem Nektar, der sirrende Flügelschlag so schnell, dass er in der Luft zu einem Flimmern

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