Inseln im Wind
schrie und weinte und mit beiden Fäusten gegen seine Brust trommelte und ihn aufforderte, sich zum Teufel zu scheren. Als ihr Schluchzen abebbte, erzählte er ihr unaufgefordert, was er wusste. Der Viscount war schon vor vier Monaten einem Herzanfall erlegen und in aller Stille bestattet worden. Für Raleigh Manor war ein Verwalter eingesetzt worden, was der Viscount selbst noch zu seinen Lebzeiten veranlasst hatte.
Schweigend hörte Elizabeth sich Duncans Bericht zu Ende an, während sie nach Dunmore Hall zurückkehrten. Als er sie fragte, ob sie sich besser fühle, blieb sie die Antwort schuldig. Sie empfand Abscheu vor sich selbst, da sie sich wie eine willfährige Dirne im Sand gewälzt und sich Duncan auf schamlose Weise hingegeben hatte, während er ihr eigentlich nur hatte sagen wollen, dass ihr Vater tot sei. Kalte Wut bemächtigte sich ihrer, weil er seine Nachricht einfach um eines Schäferstündchens willen aufgeschoben hatte. Sie hätte wissen müssen, dass er bei allem, was er tat, nur an sich selbst dachte. Die Gefühle anderer scherten ihn einen Dreck. Was kümmerte ihn schon der Tod ihres Vaters! Davon zu erfahren, hatte ihm höchstens Genugtuung verschafft. Schließlich hatte er den Viscount seit seiner Kindheit gehasst. Bitter dachte Elizabeth daran, dass sie bis heute die Hintergründe nicht kannte. Die ominöse Geschichte hatte er ihr nie erzählt. Und Elizabeth wollte sie auch nicht mehr erfahren. Welche Rolle spielte es noch, nun, da ihr Vater nicht mehr lebte?
In seinen Briefen – sie hatte während der beiden letzten Jahre nur zwei erhalten – hatte er nie über seine schlechte Gesundheit geklagt, sondern immer nur in heiterer Schreibweise betont, wie sehr es ihn freue, dass es ihr auf den Antillen gut gehe und wie glücklich es ihn mache, dass sein Enkel in Frieden aufwachse.
Sie hatte ihm zurückgeschrieben, dass sie sich wünsche, ihn bald wiederzusehen, worauf er in seinem zweiten und zugleich letzten Brief geantwortet hatte, dass sie irgendwann, wenn Jonathan erwachsen sei, vielleicht Gelegenheit finden möge, ihren Sohn in ihre Heimat zu begleiten, damit dieser seinen alten Großvater kennenlernen könne. Beim Lesen dieser melancholisch anmutenden Zeilen hatte sie bereits geahnt, dass sie ihren Vater nie wiedersehen würde, doch sie hatte es nicht wahrhaben wollen.
» Lizzie«, sagte Duncan. Er fasste nach ihrer Hand, doch sie entzog sie ihm mit einem Ruck.
» Lass mich.«
» Es tut mir leid.«
» Was tut dir leid?«, fuhr sie ihn an. » Dass mein Vater tot ist? Oder dass du, statt mir davon zu erzählen, lieber die Gelegenheit beim Schopf ergriffen hast, es wieder einmal mit mir zu treiben?« Sie äffte seine Worte nach. » Die Sache zwischen uns in Ordnung bringen! Ich hätte ahnen müssen, dass du nur auf dein Vergnügen aus warst!«
» Ich hätte es dir sofort sagen sollen«, stimmte er zu, als sei damit sein Verhalten erklärt und obendrein entschuldigt.
Von Trauer und Wut überwältigt, verfiel sie in Schweigen und ignorierte beharrlich jeden Versuch Duncans, sie mit versöhnlichen Bemerkungen milder zu stimmen.
In der Ferne tauchten Lichter auf und zeichneten die Umrisse von Dunmore Hall in die Nacht. Die Fackeln, die an den Ecken der Außenmauern und beidseits des Tores brannten, bildeten eine flimmernde Linie in der Dunkelheit.
» Besser, du verschwindet jetzt«, sagte sie kalt. » Sonst könnte noch jemand auf den Gedanken kommen, wir hätten etwas miteinander zu schaffen.«
Er blieb stehen, und sie ging weiter. So einfach war es. Und so schwer.
Der Stallknecht, der in dieser Nacht das Außentor hütete, öffnete ihr die Pforte. Sie eilte wortlos an ihm vorbei, während er sich verneigte und ihr eine gute Nacht entbot. Falls es ihn wunderte, dass sie im Dunkeln außerhalb des Anwesens unterwegs gewesen war, ließ er es sich nicht anmerken.
Es gelang ihr, an den Ställen und Gesindekammern vorbei ins Haus zurückzukehren, ohne jemandem von den Gästen oder der Familie zu begegnen. Nur zwei Hausmädchen und ein Diener kreuzten ihren Weg. Alle drei wirkten erschöpft und erhitzt. Die Mädchen schleppten Krüge voller Punsch, der Diener ein Fässchen Sherry. Als sie Elizabeth sahen, grüßten sie höflich und hasteten dann weiter. Die Feier war immer noch in vollem Gange. Trunkenes Gelächter und Gesang übertönten vereinzelt die Musik und zeugten davon, wie gelungen dieses Fest war. Man würde noch lange davon sprechen.
Elizabeth huschte die rückwärtige Treppe
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