Inselsommer
Tränen!
Als ich am Freitag vor die Galeriebesucher trat, hatte ich das Gefühl, dass seit meiner letzten Eröffnungsrede für Nele Sievers eine Ewigkeit vergangen war. Dabei lag sie erst knapp drei Monate zurück.
Doch an diesem Abend stand eine scheinbar andere Frau vor dem kunstinteressierten Publikum, das darauf wartete, sich die Werke anzusehen, die Jule, Vincent und Mira in den vergangenen Wochen zusammengestellt hatten. Zum ersten Mal in der Geschichte von ArtFuture auch Fotografien.
»Ziemlich voll, nicht wahr?«, raunte mir Jule nach meiner Rede zu, während Mira und Vincent Sekt servierten. »Kein Wunder, das habt ihr schließlich prima hingekriegt«, flüsterte ich zurück und wandte mich an die Redakteurin, die Vincent mir zuvor vorgestellt hatte. Sie wollte mich später interviewen.
»Hat es Ihnen gefallen?«, wollte ich von der zartgliedrigen, jungen Blondine mit den graublauen Augen wissen, deren Blicke Vincent geradezu verschlangen. Sie erinnerte mich ein bisschen an mich selbst vor ein paar Monaten.
»Nicht alles, aber die Arbeiten von Tom Kröger sind originell, das muss ich zugeben. Wie sind Sie auf diesen Fotografen gekommen?« Ich wollte gerade wahrheitsgemäß antworten, dass ich diese Ausstellungsstücke Jule zu verdanken hatte, doch schon gesellte der Künstler sich zu uns.
»Läuft doch super«, sagte er strahlend und gab der Journalistin die Hand. »Ich bin Tom.«
Von diesem Augenblick an war ich nicht mehr gefragt – wie so häufig an diesem Abend fühlte ich mich plötzlich wie ein Fremdkörper. Ich ging zu Helen und Doro hinüber, die sich angeregt mit jemandem unterhielten. Und zwar mit Mats!
»Herzlich willkommen«, begrüßte ich Doros Freund und gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange. »Kannst du zaubern? Ich habe dich nämlich gar nicht reinkommen sehen.«
»Mats hat sich während deiner Rede hereingeschlichen«, erklärte Doro und legte beinahe besitzergreifend ihre Hand auf seinen Arm. »Aber du hast recht: Er
ist
ein Zauberkünstler, in vielerlei Hinsicht.«
»Interessante Ausstellung«, sagte Mats anerkennend. »Vor allem die Fotos. Da könnte ich glatt in Versuchung kommen. Ich erkundige mich mal eben, was die Abzüge kosten.« Mit diesen Worten schlenderte er davon. Während ich mit Doro und Helen plauderte, nahm ich aus den Augenwinkeln jemanden am Schaufenster wahr. Kurz danach war er auch schon wieder verschwunden.
»Entschuldigt mich einen Moment«, sagte ich und stellte mein Sektglas auf dem Bistrotisch ab. Ich ging nach draußen und suchte die Straße ab.
War das Patrick gewesen?
Und wenn ja – war er rein zufällig bei ArtFuture vorbeigegangen und hatte sich erschrocken, als er mich sah, oder war es Absicht gewesen? Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Ich ging die Admiralitätsstraße ein Stück hinauf, doch vergeblich, niemand, der meinem Mann auch nur im Entferntesten ähnlich sah.
Meinem Mann?
Seltsam! Auf diese Art hatte ich schon lange nicht mehr an Patrick gedacht.
52 . Kapitel
I ch bin froh, dass du wieder da bist, ich hab dich richtig vermisst«, freute sich Bea. Es war Sonntagvormittag, und wir saßen in Pyjama und Bademantel gemütlich am Küchentisch und frühstückten ausgiebig. Zwei Vertraute, die sich miteinander wohl fühlten.
Heute war der Himmel bedeckt, was mir jedoch ganz recht war. Nachher wollte ich mit Paula zeichnen und später zu Adalbert zum Yogakurs gehen. Ich erzählte Bea von der Vernissage und der positiven Resonanz. Doch ich spürte, dass mir im Gegensatz zu früher die Begeisterung fehlte.
»Arbeitet dieser unverschämt gut aussehende Mann eigentlich noch da? Wie hieß er noch gleich? Victor?«
»Er heißt Vincent«, korrigierte ich Bea und fragte mich, wie sie gerade jetzt auf ihn zu sprechen kam. »Ja, er arbeitet noch in der Galerie und macht dort einen hervorragenden Job. Warum fragst du?« Bea rutschte ein wenig unruhig auf dem Stuhl hin und her. Dabei öffnete sich der Bademantel einen Spaltbreit und gab den Blick auf ihren Schlafanzug frei, den zu meiner großen Überraschung rote Herzchen zierten.
Hatte Bea ihn mit Larissa getauscht?
»Scharfes Outfit«, grinste ich und deutete auf den Pyjama. »Ist der neu?«
»Oh, mein Gott, wie peinlich. Bitte verrate niemandem etwas.« Bea wurde genauso rot wie die Herzen.
»Nö, warum denn. Aber dafür werde ich dich schamlos mit meinem Insiderwissen erpressen.« Ich grinste. »Mal sehen, was könnte ich gebrauchen? Ach ja, ich weiß: ein paar tausend Euro für
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