Inselsommer
meine Inselkrabben. Was meinst du? Ist es dir das wert? Ich würde an deiner Stelle flüchten, sonst fotografiere ich dich und spiele das Ganze dem
Sylter Tagesspiegel
zu.«
»Wenn das so ist, muss ich dir wohl helfen«, schmunzelte Bea und zog den Bademantel wieder enger um sich. »Aber im Ernst. Ich habe dich nach Vincent gefragt, weil ich den Eindruck hatte, dass er eine entscheidende Rolle bei der Trennung von deinem Mann gespielt hat.«
Ich schluckte. Wie kam Bea denn darauf? Ich hatte Vincent ihr gegenüber nur beiläufig erwähnt.
»Bitte entschuldige, wenn ich dir zu nahe trete oder vollkommen falsch liege. Aber erfahrungsgemäß ist doch meistens eine neue Liebe der Grund für eine Trennung.«
Beschämt senkte ich den Kopf. Kaum hatte Bea ihre Vermutung geäußert, war alles wieder präsent. Mein Gott, wie verliebt war ich in Vincent gewesen! Alles in mir vibrierte, und ich war nicht fähig, klar zu denken. Morgens stand ich mit dem Gedanken an ihn auf und ging abends mit demselben Gedanken wieder ins Bett. Eigentlich unfassbar, dass diese intensive Empfindung sich so schnell verflüchtigt hatte. Sie war so schnell gegangen, wie sie gekommen war.
»Du hast recht, ich war damals sehr verliebt in Vincent. Aus heutiger Sicht glaube ich allerdings, dass es mehr um seine kleine Tochter ging als um ihn und ich im Grunde genommen nie darüber hinweggekommen bin, dass Patrick und ich keine Kinder haben.«
Anstelle einer Antwort streichelte Bea meine Hand.
»Ja, das Leben geht manchmal sehr seltsame Wege. Aber es ist weitaus besser für dich, deine Trauer in etwas Positives wie das Kinderprojekt umzuwandeln, als sich Hals über Kopf in eine Liebesgeschichte zu stürzen. Ich finde es wirklich schade, dass Patrick und du euch getrennt habt. Auch wenn ich ihn nicht kenne, denke ich doch, dass er ein liebevoller Mann ist, sonst wärt ihr nicht so lange zusammen gewesen.«
Zu meinem Erstaunen spürte ich, dass das an sich harmlose Wort
gewesen
weitaus mehr weh tat als jeder noch so große Anflug von Liebeskummer wegen Vincent. Ich seufzte und unterdrückte den aufwallenden Schmerz.
Dann wechselte ich das Thema. Denn was Bea konnte, konnte ich schon lange.
»Wo wir gerade von Liebe und ihren Irrungen und Wirrungen sprechen: Was ist eigentlich mit dir und Adalbert? Wie lange wollt ihr beiden noch umeinander herumschleichen?«
»Adalbert hat mir neulich Abend eine Art Antrag gemacht«, erwiderte Bea in einem Tonfall, als müsse sie zum Zahnarzt.
»Einen Antrag?« Ich schnappte nach Luft. »Will er dich etwa heiraten?«
»Na ja, nicht ganz«, antwortete Bea. »Er hat gefragt, ob wir beide nicht zusammenziehen wollen.«
In meinem Kopf ging es zu wie auf einer stark befahrenen Kreuzung. Soweit ich wusste, hatten die beiden sich bislang noch nicht einmal geküsst, und Adalbert wollte mit Bea zusammenwohnen?
»Nun guck nicht so verstört, Paula. Adalbert meint das eher pragmatisch als romantisch. Er findet es frevelhaft, dass zwei Singles alleine in einem großen Haus wohnen, wo auf der Insel quasi jeder Quadratzentimeter Wohnfläche gebraucht wird. Und heutzutage sind diese Senioren-WGs richtig hip. Es gibt ja unzählige Bücher und Filme darüber.«
Nicht schlecht, Adalbert, nicht schlecht!,
dachte ich amüsiert. Dieser gut getarnte Versuch, sich an die Frau seines Herzens heranzupirschen, konnte funktionieren, wenn er es nur klug genug anstellte und Geduld bewies.
»Und wer soll zu wem ziehen?«, fragte ich, da ich mir beim besten Willen nicht vorstellen konnte, dass Bea sich von ihrem Kapitänshaus trennte.
»Adalbert sagt, dass er für beide Möglichkeiten offen ist.«
»Und du?« Gespannt schaute ich Bea an – immerhin war diese Frau jederzeit für eine Überraschung gut.
»Wenn ich diesen Vorschlag überhaupt in Erwägung ziehe, dann kommt für mich nur eine Möglichkeit in Frage, nämlich dass Adalbert bei mir wohnt. Wir müssten allerdings das Gästezimmer ein wenig umgestalten, weil ich nicht glaube, dass ein Mann sich zwischen Mustertapeten und Gardinen wohl fühlt. Aber das ist wie gesagt noch alles sehr vage, denn Adalbert vergisst einen ganz wichtigen Punkt. Er hat schließlich seine Therapieräume bei sich im Haus.«
Urplötzlich kam mir ein Gedanke.
Dieses wunderschöne Haus am Keitumer Watt könnte auf absehbare Zeit frei werden …
»Weißt du, ob Adalbert dann vermieten oder lieber verkaufen will?«
Bea wirkte mit einem Mal abwesend. Ihre Augen blickten ins Leere, und ich hätte sonst
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