Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Inselsommer

Inselsommer

Titel: Inselsommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Engelmann
Vom Netzwerk:
verlegen.
    »Leider nein. Aber so, wie sich die Wohnsituation momentan gestaltet, werde ich bestimmt einen Nachmieter finden.«
    Ich hob interessiert den Kopf.
    »Was hat es denn damit überhaupt auf sich? Ich habe gehört, dass viele, die hier arbeiten, zwischen dem Festland und Sylt pendeln müssen. Stimmt das denn?«
    »Leider ja«, antwortete Bea in rauhem Tonfall. »Die wenigsten können es sich noch leisten, hier zu wohnen. Momentan kostet auf Sylt jeder Quadtratzentimeter so viel, wie andere für ein ganzes Haus zahlen. Eine Schande ist das! Aber das wird sich hoffentlich bald ändern. Nächste Woche demonstriert unsere Bürgerinitiative Zukunft Sylt. Wenn du wirklich wissen willst, was hinter der Postkartenkulisse abläuft, dann komm ruhig mal mit, Paula. Ich schätze, dass das, was hier augenblicklich gespielt wird, alle Gentrifikationsprobleme von Städten wie Hamburg oder München bei weitem übersteigt.«
    »Wollen wir nicht lieber das Thema wechseln, bevor du dich wieder aufregst?«, bat Larissa. »Nele, mach dir keine Sorgen, du findest garantiert einen Nachmieter. Wann geht es denn eigentlich los nach Mexiko?«
    Nele strahlte über das ganze Gesicht. Auch heute sah sie wieder atemberaubend schön aus.
    »Mein Flug geht nächsten Donnerstag. Und dann heißt es: Arriba Guanajuato! Au, Mann, ich kann es kaum erwarten. Sonne, Meer, heiße Typen und Tequila bis zum Abwinken. Abgefahrene Kunst ohne Grenzen, genau mein Ding!«
    »Falls du dich jetzt fragst, wovon Nele spricht, sie meint eine mexikanische Künstlerkolonie«, erklärte Leon grinsend und schenkte allen Wasser nach. »Aber vermutlich weißt du das als Galeristin sowieso.«
    Ich lächelte. Was für eine wunderbare Idee! Wie geschaffen für eine Exzentrikerin wie Nele.
    »Es muss so toll da sein«, schwärmte die Malerin und verdrehte verzückt die Augen. »Die Leute sind alle so cool … und viel offener als die spießigen Deutschen. Ich werde endlich frei atmen können und malen, malen, malen. Kommt mich doch da alle mal besuchen.«

6 . Kapitel
    A ls ich Sonntagmorgen erwachte, dachte ich sogleich an den rundum gelungenen Abend gestern. Schon lange hatte ich mich nicht mehr so gut unterhalten. Zumindest für ein paar Stunden war es mir gelungen, weder an Vincent noch an Patrick zu denken. Mittlerweile verstand ich besser, warum manche ihre Probleme verdrängten, als sich ihnen zu stellen.
    Ein strahlender Tag war angebrochen, wie geschaffen, um ans Meer zu gehen oder eine lange Radwanderung zu unternehmen. Im Haus war es still. Entweder schlief Bea noch, oder sie war – ganz die Frühaufsteherin – bereits unterwegs. Ich kuschelte mich unter die Decke und genoss es, nicht sofort aufstehen zu müssen. Nachdem ich noch eine Stunde gedöst hatte, ging ich nach unten, um das Frühstück zu machen.
    In diesem Moment kam Bea zur Haustür herein, eine Tüte vom Bäcker unterm Arm.
    »Ah, schon wach? Ich hatte vorhin überlegt, dich zu wecken und zu fragen, ob du mit zum Gottesdienst willst. Aber dann dachte ich, ich lasse dich lieber schlafen. Du hast gestern beim Abendessen ziemlich viel gegähnt.«
    »Danke, das war sehr rücksichtsvoll von dir«, antwortete ich und deckte den Tisch.
    »Und? Was hast du für heute geplant?«, wollte Bea wissen und schaute mich erwartungsvoll an. »Das Wetter ist fantastisch, und mit etwas Glück bleibt es den ganzen Tag so. Ich gehe nachher zu meinem Meditationskurs, aber ab vier hätte ich Zeit, für den Fall, dass du Wert auf meine Gesellschaft legst.«
    »Du meditierst?«, fragte ich ungläubig. In meinen Augen passte es überhaupt nicht zu Beas nordisch-forscher Art, ihre Beine im Lotussitz zu verknoten und Mantras zu singen. »Bitte entschuldige, wenn ich das sage, aber ich kann mir dich weitaus besser auf einem Pferd, beim Ausmisten eines Stalls oder beim Marathon vorstellen als in kontemplativer Versenkung auf einem Meditationskissen.«
    Bea lächelte belustigt.
    »Da siehst du mal, wie man sich irren kann. Du bist übrigens herzlich eingeladen, mitzukommen. Diese Art der inneren Einkehr kann manchmal Wunder wirken und seelische Blockaden lösen.«
    »Danke, ich denke drüber nach«, antwortete ich und schnitt das leckere Sylter Walnuss-Vollkornbrot, das Bea mitgebracht hatte, in Scheiben. Vielleicht sollte ich wirklich mitgehen, anstatt mich emotional im Kreis zu drehen.

    Um kurz vor drei fand ich mich zu meinem großen Erstaunen genau vor dem Haus wieder, das ich bei meinem Spaziergang am Watt entdeckt

Weitere Kostenlose Bücher