Inselsommer
mit ihm sprechen müssen. An sich wollte ich schon wissen, wie es ihm ging, aber jeder Anruf, jede Nettigkeit und Patricks Fürsorge steigerten mein schlechtes Gewissen ins Unermessliche. Schließlich war ich auf Sylt, um darüber nachzudenken, ob ich weiterhin mit ihm zusammensein wollte, und er hatte nicht die geringste Ahnung, was gerade in mir vorging.
»Ich treffe mich nachher mit Steffen. Wir wollen erst in den Club trainieren, in die Sauna und danach etwas essen gehen. Ein richtiger Männertag also.«
»Toll«, freute ich mich für ihn. »Grüß Steffen bitte von mir.« Nachdem wir noch eine Weile geplaudert hatten, legte ich endlich auf.
Ich atmete tief durch. Wie sollte es nur mit Patrick und mir weitergehen?
Aber ich war natürlich nicht nur auf der Insel, um mir über meine Gefühle zu Patrick, sondern auch zu Vincent klarzuwerden. Ich wollte herausfinden, ob ich wirklich so viel für ihn empfand und wieso ich so anfällig für seine Zuwendung war. Andererseits hatte es keinen Sinn, wenn meine Gedanken pausenlos um dieses emotionale Dilemma kreisten, für das es momentan scheinbar keine Lösung gab. Deshalb versuchte ich, mich auf das zu konzentrieren, was Patrick mir empfohlen hatte: Abzuschalten!
Doch irgendwie beschlich mich das Gefühl, dass mir das weitaus besser gelang, wenn ich unter Menschen war.
»Hey, das ist ja eine nette Überraschung«, begrüßte Larissa mich fröhlich lächelnd, als ich die Buchhandlung betrat, die Tür stand trotz der kühleren Temperaturen offen. »Brauchen Sie Lesestoff, oder kommen Sie einfach so vorbei?«
»Ich brauche tatsächlich etwas zu lesen. Mein Krimi ist mir zu düster, ich hätte gern etwas Fröhlicheres, vielleicht sogar eine Liebesgeschichte. Hätten Sie einen Tipp für mich?« Larissa führte mich zu dem Tisch mit den aktuellen Bestsellern für ausschließlich weibliche Leser. Zumindest drängte sich diese Vermutung auf, wenn ich mir das Sammelsurium der überwiegend hellblauen und rosa Buchcover anschaute.
»Eine echte Romantik-Offensive, nicht wahr?«, sagte Larissa lachend. Hinter ihr erblickte ich ein junges, hübsches Mädchen, das an der Kasse stand und alle Hände voll zu tun hatte. Der Laden schien eine echte Goldgrube zu sein. Die Kunden kauften stapelweise Tageszeitungen, Taschenbücher, Postkarten und Briefmarken. Das Mädchen hatte rote Wangen und trug ihr hellblondes Haar im aktuellen Pixie-Cut-Look. Gekleidet war sie eher leger, mit verwaschenen, engen Jeans und einem schwarzen Sweatshirt, das ihr über die Schulter gerutscht war.
»Die junge Dame an der Kasse ist übrigens Rieke, unsere Auszubildende«, erklärte Larissa. »Sie ist im zweiten Lehrjahr und macht sich sehr gut. Für romantische Komödien ist sie die absolute Spezialistin. Soll ich sie mal holen?«
»Nein, nicht nötig, ich komme schon allein klar«, wehrte ich ab und vertiefte mich in das vor mir liegende Angebot. »Momentan scheinen Tiere ganz groß im Rennen zu sein«, bemerkte ich mit Blick auf all die Hunde und Katzen, die mich mit großen Augen anschauten, als wollten sie von mir adoptiert werden. »Lassen Sie sich bitte nicht weiter stören. Ich sehe mich ein bisschen um und melde mich, wenn ich eine Frage habe. Die Auswahl ist ja groß genug.« Während Larissa sich um einen anderen Kunden kümmerte und mit ihm über skandinavische Krimis fachsimpelte, las ich Klappentexte und betrachtete Cover. So viel Zeit hatte ich schon lange nicht mehr in einer Buchhandlung verbracht.
»Dürfte ich Sie kurz stören und Ihnen meinen Mann Leon vorstellen?«, fragte Larissa plötzlich. Vor mir stand ein äußerst sympathisch aussehender, jungenhaft wirkender Mann. Er trug eine randlose Brille und lächelte mich aus tiefblauen Augen an.
Ich gab ihm die Hand und wusste sofort: Mit ihm hatte Beas Nichte einen guten Fang gemacht!
»Freut mich sehr, Sie kennenzulernen. Aber Sie suchen doch bestimmt kein Buch, sondern wollen mit Ihrer Frau ins wohlverdiente Wochenende«, mutmaßte ich. Immerhin war es zehn vor zwei, das Büchernest würde gleich schließen.
»Ganz genau.« Leon beäugte die drei Titel, die ich mir beiseitegelegt hatte. »Kann es sein, dass Sie sich für E-Mail-Romane interessieren?«, fragte er schmunzelnd. Ich stutzte einen Moment. Tatsächlich handelten alle drei Bücher davon, dass irgendjemand irgendwem schrieb und eine irgendwie geartete Antwort erhielt, die eine Liebesgeschichte zur Folge hatte.
»Dann würde ich aber auf alle Fälle für
Gut gegen
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