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Inselsommer

Inselsommer

Titel: Inselsommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Engelmann
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Verständnis haben, wenn Sie krank sind. Sollen wir einen Arzt rufen? Oder wollen Sie lieber wieder zurück ins Hotel?«
    »Halt, stopp!«, rief ich energisch dazwischen, weil ich aus den Augenwinkeln sah, dass bereits erste Besucher ins Büchernest kamen und Rieke ihre Eintrittskarten zeigten. »Können Sie mir sagen, wovor Sie am meisten Angst haben? Vielleicht kann ich ja irgendwie helfen.« Ich wusste aus der Erfahrung mit meinen zart besaiteten Künstlern, dass diejenigen, die aus Panik eine Veranstaltung abbrachen, es später bitter bereuten und sich im Nachhinein große Vorwürfe machten.
    Es war die erste öffentliche Veranstaltung der Autorin, und ich wollte auf jeden Fall vermeiden, dass Lesungen künftig ein Trauma für sie waren.
    »Ich habe Angst davor, die Zuhörer zu langweilen. Vielleicht finden sie meinen Text banal, vielleicht entdecken sie, dass ich etwas nicht sorgfältig recherchiert habe. Ich will niemanden enttäuschen. Außerdem ängstigt mich die Vorstellung, fast eine Stunde am Stück zu lesen. Um ein Publikum so lange bei der Stange zu halten, muss man echte Entertainer-Qualitäten haben.«
    »Wäre es für Sie einfacher, wenn ich zusammen mit Ihnen auf der Bühne stehe und Sie etwas zu Ihrem Text frage? Dann müssten Sie immer nur kurze Passagen vorlesen«, schlug ich vor.
    »Prinzipiell eine gute Idee, aber Sie kennen das Buch doch gar nicht«, wandte Corinna Hartmann ein, wirkte jedoch ein wenig gefasster.
    »Aber ich kenne es«, mischte sich Bea ein. »Wir könnten es doch so machen: Frau Gregorius stellt Ihnen Fragen zu Ihrem Werdegang und zum Schreiben. So etwas interessiert die Zuschauer immer, weil viele von ihnen selbst schreiben und liebend gern ein Buch veröffentlichen möchten. Und ich frage Sie zum Inhalt.
    Und sollte sich wider Erwarten herausstellen, dass Sie damit nicht klarkommen, können wir jederzeit abbrechen. Für Nervosität hat jeder Verständnis, bitte glauben Sie mir.«
    Corinna Hartmann schien mit sich zu ringen. Doch dann siegte ihre Professionalität.
    »Okay, ich versuch’s. Allein schon, weil ich es Ihnen schuldig bin. Also, wann geht’s los?«
    »In ungefähr zehn Minuten«, entgegnete Vero und reichte ihr einen Becher mit dampfend heißem Tee. »Ich habe ein wenig Baldrian hineingeträufelt, vielleicht wirkt das ja«, sagte sie schmunzelnd. »Ich wünsche gutes Gelingen. Sie schaffen das! Und hinterher gibt’s zur Belohnung leckeres Essen und einen guten Tropfen. Sie werden sehen, die Zeit vergeht wie im Flug, und am Ende sind Sie traurig, weil es so schnell vorbei ist.«

14 . Kapitel
    H eute war der erste Mai und damit ein Feiertag. Ich schlenderte den Wattweg entlang Richtung Munkmarsch und atmete genüsslich die kühle, nach Salz schmeckende Morgenluft ein. Es war sechs Uhr morgens und ich als Einzige unterwegs. Die Ruhe wurde lediglich durch das ferne Knattern eines Traktors unterbrochen.
    Selbst Bea hatte noch geschlafen, als ich durch die Eingangstür schlüpfte und sie leise hinter mir zuzog. Nun, es war gestern auch spät geworden, denn wir hatten alle zusammen die erfolgreiche Veranstaltung – und natürlich Corinna Hartmann – gefeiert, die ihre anfängliche Unsicherheit überwunden und hervorragend gelesen hatte.
    Bea wollte sie heute um elf Uhr zum Zug bringen, und ich war zum Frühstück mit Doro verabredet, die an sich heute ebenfalls nach Hamburg zurückfuhr. Doch der SMS nach zu urteilen, die sie mir gestern Nacht geschrieben hatte, war ich mir da nicht so sicher …
    Während ich in Gedanken versunken einen Fuß vor den anderen setzte, hörte ich plötzlich Getrappel hinter mir. Dann stieg mir ein strenger Duft in die Nase.
    »Moin, Frau Gregorius«, ertönte es fröhlich, und schon stoppte schnaubend ein rotbraunes Pferd mit weißer Blesse neben mir. Die Reiterin war Rieke, Larissas Auszubildende im Büchernest.
    »Das ist aber ein hübsches Tier«, sagte ich.
    »Sie heißt Reikka«, antwortete Rieke mit offensichtlichem Besitzerstolz. »Ich nutze die Ruhe am frühen Morgen, um sie ein wenig zu bespaßen, bevor sie nachher mit den Reitschülern über die Koppel traben muss.« Sie tätschelte den Kopf der Stute, die fröhlich wieherte. »Meinen Eltern gehört der Reiterhof in der Nähe der Gleise«, erklärte Rieke, weil ich offenbar ziemlich verdutzt dreingeschaut hatte. Ich spürte, wie sich plötzlich ein unangenehmes Kribbeln in meinem Hals ausbreitete und musste auch schon niesen.
    »Oje, ich hoffe, Sie sind nicht allergisch gegen

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