Inselsommer
kaum erwarten kann, Ende nächster Woche für einen Tag zu Mats zu fahren. Sein Laden ist bestimmt ein Traum, außerdem war ich noch nie in Husum.«
»Und was sagst du Thomas?«, fragte ich besorgt. Ich hatte Angst, dass Doros Affäre aufflog, wenn sie sich weiterhin so unbekümmert verhielt.
»Keine Ahnung. Ehrlich gesagt hatte ich gehofft, dass mir eine von euch ein Alibi gibt. Zum Beispiel, dass wir drei Mädels einen Ausflug ans Meer machen, oder so …«
Helen runzelte die Stirn.
»Natürlich ist das kein Problem, aber auf Dauer auch keine Lösung. Willst du diesen Urlaubsflirt denn wirklich fortsetzen?« Genau diese Frage war mir auch schon die ganze Zeit durch den Kopf gegangen.
»Sich ein paar Tage fernab der Familie auszutoben ist eine Sache, Doro. Aber ich kenne dich doch: Wenn du erst einmal dein großes Herz an jemanden gehängt hast, fällt es dir schwer, wieder loszulassen. Willst du das riskieren?«, fragte ich, weil ich mir ernsthafte Sorgen um meine Freundin machte.
Plötzlich wurde Doros Gesichtsausdruck trotzig, und ihre Augen begannen zu funkeln:
»Kann es sein, meine Liebe, dass du in Wahrheit gar nicht um mein Wohl besorgt, sondern sauer bist, weil ich mich etwas traue, das du dir niemals zugestehen würdest? Schau dich doch mal an: Seit du wieder hier bist, siehst du blass aus und guckst deprimiert aus der Wäsche. Manchmal denke ich, es wäre tausendmal ehrlicher, Patrick endlich zu sagen, dass du eine Pause brauchst, um mit dir ins Reine zu kommen, als ihn so hinzuhalten. Dein Mann ist weder doof noch ein emotionaler Holzklotz. Wenn du so weitermachst, bist du ihn schneller los, als du das Wort Trennung aussprechen kannst. Vincent scheint ja auch schon wütend auf dich zu sein – willst du wirklich so weitermachen?«
Doros Worte trafen mich wie ein Faustschlag, und ich schnappte nach Luft.
»Nein, natürlich nicht. Aber wenn du denkst, du kannst deine Situation mit meiner vergleichen, bist du auf dem Holzweg. Und das weißt du auch ganz genau«, knurrte ich.
Helen schaute uns betroffen an und schenkte Tee nach:
»So, jetzt beruhigen wir uns mal wieder. Eines steht auf alle Fälle fest: Ihr steckt beide knietief in Schwierigkeiten, und ich werde nicht tatenlos zusehen, wie ihr eure Ehe beziehungsweise eure Familie aufs Spiel setzt. Immerhin habe ich in meinem Job tagtäglich mit Leuten zu tun, die im Affekt handeln und ihr Tun später bereuen und vor Gericht teuer dafür bezahlen müssen.«
»Und was schlägst du vor?«, fragte Doro mit zitternder Stimme und vermied es, mich anzuschauen. Ich konnte mich nicht erinnern, dass wir uns in all den Jahren je so gestritten hätten.
»Paula, dir kann ich nur eines raten: Trennung auf Probe, so wie Doro es vorgeschlagen hat. Und binde Patrick das mit Vincent möglichst nicht auf die Nase. Er hat nicht ohne Grund gestern überreagiert. Er ist nicht verletzt, weil wir drei uns heute treffen, sondern weil er spürt, wie unwichtig er für dich geworden ist. Findet unabhängig voneinander heraus, was ihr wollt. Eure ungewollte Kinderlosigkeit ist offenbar eine größere Belastung für eure Ehe, als ihr es euch beide bislang eingestehen wollt. Mein Eindruck ist sowieso, dass du in erster Linie in diesen Vincent verknallt bist, weil er eine Tochter hat und du dich nach einer Familie sehnst. Dabei passt ihr gar nicht zusammen. Der Altersunterschied von knapp zehn Jahren spielt vermutlich nicht mal die entscheidende Rolle. Aber ihr steckt beide in vollkommen unterschiedlichen Lebensphasen, habt bis auf die Liebe zur Kunst keine weiteren gemeinsamen Interessen. Außerdem kennt ihr euch ehrlich gesagt doch kaum. Und du liebst Patrick, auch wenn du das momentan vergessen zu haben scheinst …«
Helens Analyse traf mich mitten ins Herz.
Doro nickte eifrig.
»Helen hat recht. Ich glaube auch, dass du in Vincent etwas hineinprojizierst. Aber das musst du natürlich selbst für dich herausfinden, und das kannst du nur, wenn du Ruhe hast. Was spricht also dagegen, Paula, wenn du dir übergangsweise eine kleine Wohnung suchst und dich auf dein Leben konzentrierst? Die paar Tage auf Sylt waren doch viel zu kurz dafür.«
»Aber das könnte das Ende meiner Ehe bedeuten«, flüsterte ich verzweifelt, während mir Tränen über die Wangen liefen. Helen setzte eine strenge Miene auf und musterte mich eindringlich.
»Auch wenn ich deine Ängste verstehe, fürchte ich, dass du nicht um eine Entscheidung herumkommen wirst. Wovor hast du so große Angst? Du
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