Inselsommer
der letzten Wochen ungestört mit den beiden zu bequatschen und zu erfahren, wie es um Doro und Mats stand.
»Hey, da bist du ja wieder«, rief Jule gut gelaunt, als ich in die Galerie kam. Auf meinem Schreibtisch hieß mich ein wunderschöner Blumenstrauß willkommen. »Damit du dich gleich wohl fühlst«, erklärte Jule augenzwinkernd. »Magst du einen Tee oder Kaffee? Ich wollte mir nämlich gerade drüben einen Chai Latte holen.«
»Bringst du mir einen Cappuccino mit doppeltem Espresso mit?«, bat Vincent, der plötzlich neben mir stand und mich erwartungsvoll ansah. Mein Herzschlag setzte einen Moment aus.
Unser Streit am Strand, unser Kuss, seine Karte
…
»Für mich bitte auch einen Chai«, sagte ich und drückte Jule einen Geldschein in die Hand. »Das geht heute auf mich.« Nachdem sie die Galerie verlassen hatte, starrten Vincent und ich uns wortlos an. Vor diesem Moment hatte es mir die ganze Zeit gegraut!
»Hast du meine Karte bekommen?«, fragte Vincent und durchbrach das bedrückende Schweigen.
Meine Nerven lagen blank.
Was sollte ich darauf antworten?
Dass ich mir ein Parallelleben mit ihm und Lilly wünschte, aber gleichzeitig das Gefühl hatte, dass dieser Wunsch für immer ein unerfüllter Traum bleiben musste?
Dass ein Teil von mir sich an Patrick gebunden fühlte, wie an ein Versprechen, das man niemals brechen durfte?
Ich nickte verlegen und blätterte, ohne ihn anzusehen, durch den Poststapel auf meinem Schreibtisch.
»Du willst also nicht darüber reden«, stellte Vincent genervt fest. »Nun gut, keine Antwort ist auch eine Antwort! Schade, dass man sich mit dir nicht vernünftig unterhalten kann. Ganz ehrlich, ich werde nicht schlau aus dir. Du bewegst dich fort wie ein Krebs: einen Schritt vor und zwei zurück.«
Zum Glück kam Jule in diesem Augenblick mit den Getränken zurück. Froh über ihre Anwesenheit schaltete ich den Computer ein und tat so, als riefe ich meine E-Mails ab.
In Wahrheit verschwammen die Zeilen vor meinen Augen, und ich hätte am liebsten geweint.
Wie hatte ich mich nur in diese auswegslose Situation manövriert? Nun waren zwei Männer von mir und meinem Verhalten genervt. Patrick war so ein liebevoller Mensch.
Wieso schaffte er es nicht mehr, dass wie bei Vincent Schmetterlinge in meinem Bauch tanzten? Was, wenn wir nie über unseren unerfüllten Kinderwunsch hinwegkommen würden?
Der Vormittag in der Galerie ging wie in Trance vorbei.
Zum Glück hatten Jule und Vincent die Dinge perfekt im Griff, und ich war im Grunde beinahe überflüssig.
Selbst die Lücke, die durch den Verkauf von Neles Bildern entstanden war, hatten die beiden genutzt und einen neuen Künstler an Land gezogen, auf dessen Arbeiten ich schon länger ein Auge geworfen hatte.
Als ich am Abend nach Hause kam, ließ ich mich erschöpft auf einen Liegestuhl auf der Terrasse sinken.
Von hier aus hatte man einen grandiosen Blick über die Dächer Hamburgs und fühlte sich dem Himmel ganz nah. Für gewöhnlich beruhigte mich diese Perspektive, doch heute war ich viel zu aufgewühlt. Beim Mittagessen hatte Jule mich sehr deutlich daran erinnert, dass ich bald eine Idee für die Herbstsaison liefern musste.
Doch weitaus schlimmer zerrte die Erinnerung an das unschöne Zusammentreffen mit Vincent an meinen Nerven.
Ich spürte, wie mir ein unangenehmer Schmerz langsam den Nacken hinaufkroch und sich im Hinterkopf zusammenballte. Patrick kam bald nach Hause, und ich hatte mir fest vorgenommen, dass wir wenigstens heute einen harmonischen Abend miteinander verbringen würden.
Doch zuvor musste ich den bohrenden Schmerz in meinem Kopf loswerden. Nachdem ich eine Tablette eingenommen hatte, surfte ich im Netz nach Yoga-DVDs. Wie Adalbert schon auf Sylt gesagt hatte: Ich musste dringend etwas für meine Entspannung tun!
»Bist du schon da?«, hörte ich kurze Zeit später Patrick durch den Flur rufen. Sofort sprang ich vom Schreibtisch auf. Ich ging in die Küche und holte alles Notwendige für das Abendessen aus dem Kühlschrank.
Patrick nahm mich in den Arm und gab mir einen Kuss.
»Na, wie war dein Tag?«, wollte er wissen und grinste auf einmal spitzbübisch. »Rate mal, was ich hier habe?« Stolz wedelte er mit zwei Karten vor meiner Nase herum.
Bevor es mir gelang, die Schrift zu entziffern, rief Patrick begeistert: »Wir beide gehen morgen Abend ins Ballett! Wie findest du das?« Verlegen räusperte ich mich. Freitagabend war ich bereits mit meinen Freundinnen verabredet.
Dabei
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