Inselsommer
denn überhaupt kochen?«
»Mein Spinat-Lachs-Auflauf von neulich scheint zwar keinen bleibenden Eindruck auf dich gemacht zu haben, aber ich glaube, ich kriege das hin. Auch wenn wir, solange Vero weg ist, das Speisenangebot verkleinern müssten. Allerdings bräuchten wir jemanden für den Service. Beides schaffe ich nicht. Und ich brauche natürlich Veros Rezepte.«
Bea runzelte die Stirn und schien zu überlegen. Gerade als ich Angst vor meiner eigenen Courage und der damit verbundenen Verantwortung bekam, entspannten sich ihre Gesichtszüge, und sie lächelte.
»Stimmt, der Auflauf hat wirklich köstlich geschmeckt. Und auch deine indischen Kokosschnitten. Das könnte tatsächlich was werden, vorausgesetzt, wir finden schnell jemanden, der dir hilft. Ich muss jetzt leider los, um die Frühstücksgäste zu bewirten, aber ich werde mir überlegen, wen wir fragen könnten. Vielleicht hat ja auch Larissa eine Idee. Auf alle Fälle danke ich dir für dein großzügiges Angebot.«
»Halt, ich komme mit!«, rief ich energisch, nahm meine Jacke vom Garderobenhaken und folgte Bea, die mit schnellen Schritten zum Büchernest marschierte.
»Wisst ihr schon etwas Neues über Hinrichs Gesundheitszustand?«, fragte Larissa, kaum dass wir durch die Tür der Buchhandlung getreten waren.
»Nur dass er nach der Notoperation auf der Intensivstation liegt und die kommenden Stunden darüber entscheiden werden, ob er es schafft oder nicht«, erklärte Bea und nahm ihre Nichte in den Arm. »Aber ich bin mir sicher, dass er durchkommt. Hinrich ist ein zäher Bursche und hat in seinem Leben schon so einige Klippen umschifft. Wir müssen nur alle fest daran glauben, dass er bald wieder gesund wird.«
Larissa senkte betrübt den Kopf und putzte sich die Nase.
Ich konnte mir gut vorstellen, wie sie sich fühlte. Vero und Hinrich waren für sie seit Kindertagen so etwas wie Großonkel und Großtante, die ihr, genau wie Bea, geholfen hatten, auf Sylt heimisch zu werden und ihre Trauer so gut wie möglich zu verarbeiten.
Deshalb machte sie sich bestimmt furchtbare Sorgen.
»So, Kinder, nun wird aber in die Hände gespuckt! Wir öffnen in zwanzig Minuten, und bis dahin muss alles für das Frühstück fertig sein. Wir tun Vero den größten Gefallen, wenn hier weiter alles nach Plan läuft«, rief Bea energisch.
Ich folgte ihr in die Küche, die mir zwar schon ein wenig vertraut war, die ich aber heute mit anderen Augen sah.
Als Erstes musste ich mir einen Überblick verschaffen, wo alles stand und wie es um Veros Vorräte bestellt war.
»In wenigen Minuten kommt Lars von der Bäckerei vorbei und bringt frische Brötchen, Croissants und so weiter. Vero gibt immer am Vorabend die Bestellung durch, so dass sie sich am nächsten Morgen nicht mehr darum kümmern muss. An der Pinnwand hier hängt eine Liste aller Lieferanten mit Telefonnummer und Adresse. Und dort hinten steht die Tiefkühltruhe«, erklärte Bea.
Wie sich herausstellte, war Vero dermaßen gut organisiert, dass es mir nicht besonders schwerfiel, mich in ihrem Reich zurechtzufinden. Alles war blitzblank sauber, wohl sortiert und übersichtlich.
Bea stellte die Maschine an, die schon bald fröhlich blubberte und den Raum mit dem zartbitteren Duft von frisch gebrühtem Kaffee erfüllte. Dazu ertönte fröhliche Musik aus dem kleinen Küchenradio. Während ich meinen neuen Arbeitsplatz erkundete, kam Lars herein, ein wortkarger, aber durchaus sympathischer Junge, der gerade eine Ausbildung zum Bäcker machte. Er sagte nur »Moin« und bugsierte einen großen Korb voller Backwaren auf die Arbeitsplatte. Bevor ich mich vorstellen konnte, war er auch schon wieder verschwunden.
Nachdem ich die Lieferung der Bäckerei begutachtet hatte, briet ich auf Wunsch des ersten Gastes, der bei Bea bestellt hatte, Spiegeleier und schmierte zwei halbe Brötchen: eines mit Käse und eines mit Veros selbstgemachter Himbeermarmelade. Im Kühlschrank stand eine große Glaskaraffe mit frisch gepresstem Orangensaft, und im Handumdrehen war das leckere Frühstück fertig. Ich war so stolz auf mich, dass ich es voller Überschwang selbst servierte.
»Nanu? Wer sind Sie denn?« Ein Herr, ungefähr Anfang achtzig, musterte mich abschätzig. »Wo ist Vero?«
»Ich vertrete sie für ein paar Tage und hoffe, dass die Spiegeleier genau so sind, wie Sie sie mögen«, antwortete ich lächelnd. Was mit Hinrich passiert war, behielt ich für mich, immerhin war das Privatsache. Misstrauisch beäugte der
Weitere Kostenlose Bücher