Inselsommer
Gast den Teller und stocherte mit der Gabel im Eiweiß herum, das kleine Blasen geschlagen hatte.
»Viel zu glibberig«, befand er schließlich und schob den Teller genervt von sich.
»Ich brate Ihnen gern neue«, beeilte ich mich zu versichern. »Nicht nötig, junge Dame. Ich warte, bis Vero wieder da ist. Die weiß wenigstens, wie ich die Spiegeleier mag.«
Als Nächstes unterzog er die beiden Brötchenhälften einer genaueren Betrachtung. Auf den Käse hatte ich ein frisches Blatt Salat gelegt und Radieschen-Schnitze.
Die Hälfte mit der Marmelade hatte ich mit einem Klacks Pflaumenmus gekrönt, das meiner Ansicht nach geschmacklich passte und auch optisch einiges hermachte.
Mein Gast sah das allerdings anders: »Was ist denn das für ein neumodischer Kram?« Er deutete auf mein farbenfrohes Konfitüren-Duett.
»Frau Gregorius ist Galeristin und wollte dir mit diesen Brötchen eine besondere Freude machen, Fiete.« Larissa war wie aus dem Nichts als rettender Engel aufgetaucht. »Probier mal, es schmeckt bestimmt köstlich! Und du weißt ja: Das Auge isst mit«, sagte sie augenzwinkernd. Doch Fiete war offenbar immun gegen Larissas Charme.
»Nee danke, lass mal. Sagt mir Bescheid, wenn Vero wieder da ist. Bis dahin frühstücke ich woanders. Gibt ja zum Glück noch ein paar anständige Cafés im Ort.«
»Oje«, seufzte ich, als Fiete zur Tür hinausschlurfte. »Den habe ich wohl vergrault und direkt der Konkurrenz in die Arme getrieben. Setzt das Frühstück bitte auf meine Rechnung.«
Larissa schüttelte den Kopf.
»Ach was, mach dir keine Gedanken. Der Alte ist störrisch wie ein andalusischer Esel und hat mit Vero so lange seine Spielchen gespielt, bis sie ihn vor die Wahl gestellt hat: Entweder er benimmt sich anständig, oder er bekommt bei uns nie wieder etwas zu essen. Der geht niemals woandershin, weil keiner sich die Mühe macht, nett zu ihm zu sein, so grummelig, wie er sich aufführt.«
Ich war verblüfft. Offenbar brauchte dieser Fiete Grenzen wie ein kleines Kind. Nun, das konnte er haben – vorausgesetzt, ich bekam eine zweite Chance.
Der Rest des Vormittags verlief zum Glück weitaus reibungsloser, zumal ich Unterstützung durch Bea hatte und ausschließlich nette, geduldige Gäste. Beim Gedanken daran, gleich die Mittagsgerichte zuzubereiten, klumpte sich allerdings mein Magen zusammen.
Wie schaffte Vero das nur alles?
»Keine Sorge, wir kriegen das schon hin«, ermutigte Bea mich, als könne sie Gedanken lesen. »Außerdem bekommen wir beide gleich Verstärkung. Adalbert ist auf dem Weg hierher.«
»Kann er denn kochen?«, fragte ich irritiert und band mir Veros Küchenschürze um. Ich wollte die tiefgefrorenen Kartoffelpuffer anbraten, die als
Mini-Röstis
auf der Karte standen und mit Matjes-Tatar serviert wurden. Das Problem war nur, dass ich mir einen Ersatz für den Tatar ausdenken musste, der noch nicht vorbereitet war.
Vielleicht einfach eine Scheibe Lachs mit einem Klacks Meerrettich drauf?
»Adalbert kann beinahe alles«, erklärte Bea, und ich glaubte, ein kurzes Aufleuchten in ihren Augen zu erkennen. »Und vor allem besitzt er dank Meditation und Yoga eines: Nervenstärke. Und das ist unbezahlbar, gerade in solch einer Situation.«
In dem Moment ging die Tür auf, und Adalbert kam herein: »Oh, was höre ich da, liebe Bea? Sollte das etwa ein Kompliment sein? Ich fühle mich geschmeichelt. Also, womit soll ich anfangen?«
»Sie könnten mir helfen, die hier zu schälen.« Ich wickelte mehrere Bund Spargel aus den feuchten Tüchern, in die Vero das Gemüse geradezu vorbildhaft eingeschlagen hatte.
»Alles klar«, schmunzelte Adalbert. Bea drückte ihm einen Schäler in die Hand. Kurz darauf arbeiteten wir alle drei konzentriert, während Larissa und Rieke vorne im Laden die Stellung hielten. Als ich Bea und Adalbert so einträchtig nebeneinanderstehen sah, durchfuhr mich auf einmal ein großer Schmerz: Ich musste an die unzähligen Male denken, an denen Patrick und ich zusammen für Gäste gekocht hatten. Wie viele waren es wohl im Laufe unserer gemeinsamen Zeit gewesen?
»Fünfmal Braderuper Bauernfrühstück und drei Portionen Spargel mit Jakobsmuscheln«, orderte Rieke, die mit hochrotem Kopf in die Küche gestürzt kam. »Leute, ihr glaubt es nicht, aber da draußen steppt der Bär, als hätten sie eine Busladung vor der Tür ausgekippt. Habt ihr hier alles im Griff?« Wir schauten uns an, Bea grinste ein wenig schief, Adalbert nickte.
»Aber natürlich,
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