Inselsommer
Smartphone recherchiert und herausgefunden, dass quer über die Insel verteilt zahllose Anbieter um die Gunst zahlungskräftiger Kunden buhlten. Sich in diesen Reigen einzureihen machte vermutlich genauso wenig Sinn, wie ein italienisches Restaurant neben vier anderen aufzumachen.
Die letzten beiden Stationen meiner Kunst-Tour waren die Hofgalerie mit der Udo-Lindenberg-Lounge und die Stadtgalerie Alte Post in der Nähe der Bücherei.
Fasziniert bestaunte ich die Bilder im Schaufenster der Hofgalerie, die seit dem Umzug von Morsum nach Westerland zusammen mit der Spielbank unter einem Dach untergebracht war.
Schon von weitem stachen mir die farbenfrohen Gemälde und opulenten Möbel ins Auge, die aus einem Schloss oder Museum hätten stammen können.
Neugierig betrat ich den Eingang, in dem Schilder darauf hinwiesen, was man zu tun und zu lassen hatte: Um das Casino zu betreten, musste man volljährig und angemessen gekleidet sein, in der Galerie durfte man nicht fotografieren.
Ich ließ das Entrée der Spielbank wortwörtlich links liegen und steuerte auf die knallbunten, naiven Bilder zu, die mir spontan gefielen. Wer hätte gedacht, dass der Sänger Frank Zander so launig malen konnte?
Mich persönlich interessierten jedoch eher die Arbeiten des verstorbenen amerikanischen Künstlers James Rizzi und die des Malers Otmar Alt. Ich bekam sofort Lust, das Geschirr des in Wernigerode geborenen Malers und Grafikers zu kaufen, das wie Vasen von James Rizzi in einer Vitrine ausgestellt war. Ich liebäugelte mit Espressotassen als Mitbringsel für Doro und Helen. Im Hintergrund lief
Stark wie zwei
von Udo Lindenberg. Ich liebte diesen Song, in dem es um den Verlust eines geliebten Menschen ging, und der Refrain jagte mir jedes Mal einen Schauer über den Rücken. Doch diesmal hatten die Liedzeilen eine viel stärkere Wirkung auf mich und trafen wie spitze Pfeile das Innere einer Zielscheibe.
Völlig benommen versuchte ich, Haltung zu bewahren und gegen das Gefühl anzukämpfen, das drohte, mir den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Die drei Worte
Stark wie zwei
hämmerten – wie Morsezeichen – in meinem Kopf und schienen sich dort festsetzen zu wollen. Ich machte eine unsinnige Handbewegung, als wolle ich das negative Gefühl wie eine lästige Fliege verscheuchen.
Fest entschlossen, diesem plötzlichen Emotionsausbruch keinesfalls nachzugeben, ging ich zur Kasse, wo eine ältere, sympathisch aussehende Dame mit rötlichem Haar stand.
Ich musste mit jemandem reden, und zwar sofort!
»Gefällt Ihnen dieser Standort besser als in Morsum?«, fragte ich mit gepresster Stimme. Die Frau lächelte, schaute mich aus freundlichen Augen an und antwortete:
»Ja, es ist wunderbar hier. Zu zweit können wir den kleineren Laden viel besser führen.«
Da war es wieder:
Stark wie zwei …
Ich nickte hastig und beachtete nach einem kurzen Abschiedsgruß noch nicht einmal die Collagen und Likörelle von Udo Lindenberg, sondern rannte hinaus. Ich wollte so schnell wie möglich ans Wasser, um wieder frei atmen zu können. Und ich wollte dem tiefen Schmerz trotzen, der sich tiefer und tiefer in mein Herz bohrte.
Als ich zurück in Keitum war, beschloss ich, als Erstes Larissa einen Besuch abzustatten, um ihr den Termin für den Rundflug mitzuteilen und auch Vero einzuladen.
Der Spaziergang am Strand von Westerland hatte mir gutgetan und einige – wenn auch nicht alle – dunkle Wolken weggepustet, die sich vorhin so schwer auf mein Gemüt gelegt hatten. Als ich die Buchhandlung betrat, war Larissa gerade in ein Gespräch mit einer Kundin vertieft, neben der ein kleines Mädchen stand.
»Sie meinen bestimmt
Die schnellste Bohne der Stadt
«, hörte ich sie sagen, doch die Kundin verzog genervt das Gesicht. »Nein, ich meinte
Die längste Bohne der Welt.
Können Sie mir das Buch jetzt bestellen oder nicht? Lisa hat übermorgen Geburtstag.«
Larissa tippte verschiedene Wortkombinationen in den Computer und schüttelte bedauernd den Kopf.
»Ich habe hier
Kasimir pflanzt weiße Bohnen,
der
Bohnen-Jim
von Christine Nöstlinger und wie gesagt
Linnéa und die schnellste Bohne der Stadt.
Etwas anderes finde ich leider nicht.«
»Dann gehe ich eben in eine kompetentere Buchhandlung«, sagte die Frau in schneidendem Tonfall, nahm ihre Tochter bei der Hand und verließ naserümpfend das Büchernest. Ich musste schwer an mich halten, um nicht laut loszulachen, und umarmte Larissa, die der Kundin wütend hinterherblickte.
»Lass
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