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Inselsommer

Inselsommer

Titel: Inselsommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Engelmann
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er nicht nur meinen alten, steifen Nacken, sondern auch meine Seele.«
    Dies war einer der Momente, an denen man sich entscheiden musste: Gehen oder bleiben. Entweder freute ich mich über einen zauberhaften Augenblick und ging danach meiner Wege, oder ich ließ mich treiben, um einer zufälligen Begegnung die Möglichkeit zu geben, sich zu entfalten.
    »Ist Ihnen zufällig trotz des Schals kalt? Haben Sie Lust auf eine Tasse heiße Schokolade?« Ich wusste, dass Leysieffer eine Filiale in der Friedrichstraße hatte, und mir lief jetzt schon das Wasser im Mund zusammen bei dem bloßen Gedanken an das tröstlich süße Getränk. In dieser sympathischen Gesellschaft würde er bestimmt doppelt so gut schmecken.
    »Sie scheinen Gedanken lesen zu können«, antwortete der Fremde lächelnd und gab mir die Hand. »Gestatten Sie, dass ich mich vorstelle. Mein Name ist Adalbert Vrohne.« Dann reichte er mir feierlich den Arm: »Ich freue mich sehr, zusammen mit einer so bezaubernden jungen Dame eine gute Tasse Tee, oder auch einen Kakao, trinken zu dürfen.«
    Ob ich mit fünfundvierzig noch als »jung« durchging, wagte ich zu bezweifeln. Andererseits: Weshalb sollte ich ihm widersprechen?
    Nachdem ich ebenfalls meinen Namen genannt hatte, gingen wir Richtung Café, als seien wir alte Freunde. Wir plauderten erneut über das Wetter und darüber, wie voll die Insel war.
    »Das ist mittlerweile ein kleines Problem auf Sylt«, erklärte Adalbert seufzend, als wir uns an den letzten freien Bistrotisch setzten.
    »Ein Problem?«, fragte ich stirnrunzelnd und überflog die Karte. Ob ich mir zu der Schokolade noch ein Stück Baumkuchen gönnen sollte?
    »Lassen Sie uns besser nicht über dieses Thema sprechen. Sie sind ja hier, um Urlaub zu machen und sich zu erholen, und nicht, um sich die Unkenrufe eines alten Herrn wie mir anzuhören.«
    »Diesem
uns
entnehme ich, dass Sie Insulaner sind oder zumindest schon eine Weile auf Sylt leben.«
    Ich dachte an Larissa Wagner, die erst vor acht Jahren hierhergezogen war, nachdem sie ihre Tante in deren Buchhandlung vertreten hatte.
    »Ich bin hier geboren, und ich werde auch hier sterben«, entgegnete Adalbert, und ich suchte sein Gesicht nach Anzeichen seines genauen Alters ab. Seine warmen, dunklen Augen waren von feinen Falten umsäumt, seine Haut wettergegerbt, der kurz gestutzte Bart schlohweiß, genau wie sein erstaunlich volles Haar. »Keine Sorge, ich habe nicht vor, so bald zu gehen, dazu liebe ich diese Insel und das Leben viel zu sehr«, fügte Adalbert lachend hinzu. »Wie lange bleiben Sie denn, und wo wohnen Sie?«
    Es dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, bis ich mich entschied, ihm die Wahrheit zu sagen.
    Oder zumindest teilweise.
    Also erzählte ich von meiner Einladung nach Keitum und fragte ihn, ob er das Büchernest kannte, das Larissa und Bea zusammen führten.
    »Wer kennt dieses zauberhafte Buchcafé nicht?«, schmunzelte Adalbert und fuhr sich mit den langen, schlanken Fingern durch den Bart. An seinen Händen war deutlich zu erkennen, dass er weit über sechzig sein musste. Während die gepflegten Nägel glänzten, war die Haut faltig und mit bräunlichen Flecken übersät.
    »Bea Hansen und Larissa Wagner sind mittlerweile so etwas wie eine Institution hier. Es hat zwar ein Weilchen gedauert, aber alles Gute braucht eben seine Zeit.«
    Und
es verändert sich auch … und leider nicht immer zum Guten.
Seufzend dachte ich an meine Ehe mit Patrick und das riesige Dilemma, in dem ich steckte.
    Würde es mir gelingen, in den kommenden zwei Wochen eine Lösung zu finden?

3 . Kapitel
    P ünktlich wie ein Uhrwerk traf die Bahn am Freitag von Westerland in Keitum ein. Hinter mir lagen zwei Tage, in denen meine Gefühle Achterbahn gefahren waren, und ich freute mich, nun nicht mehr allein sein zu müssen. Natürlich hatte ich das wundervolle Wellness-Angebot des Hotels genossen, mir zwei Saunagänge und eine entspannende Massage gegönnt. Ebenso wie eine Gesichtsbehandlung in der angeschlossenen Shiseido-Beauty-Farm. Trotzdem konnte dieser Luxus nicht darüber hinwegtäuschen, dass ich gefühlsmäßig in einer absoluten Ausnahmesituation war, schließlich stand meine langjährige Ehe auf dem Spiel!
    Auf dem Parkplatz kam Bea Hansen strahlend auf mich zu.
    »Liebe Paula, da sind Sie ja endlich! Larissa wäre übrigens auch gern mitgekommen, aber sie hat ausgerechnet heute Besuch von Verlagsvertretern, die das neue Programm vorstellen. Und das geht leider vor. Also,

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