Inselsommer
meine trüben Gedanken rückten darüber ein wenig in den Hintergrund. Doro verabscheute den neuen Hamburger Stadtteil zutiefst, der vor einigen Jahren aus dem Boden gestampft worden war, und soweit ich wusste, stand auch Helen dem Tummelplatz von Immobilienmaklern, Bankern und anderen Neureichen eher kritisch gegenüber.
Was also taten wir hier?
Kurze Zeit später wusste ich, was meine beiden Freundinnen hierhergelockt hatte: Ich erblickte kantige Holztische auf der Terrasse eines Restaurants, und mir fiel sofort ein altbekanntes Emblem ins Auge, das die eingedeckten Gläser schmückte: gekreuzte Säbel und ein Totenkopf, das Erkennungszeichen der Sylter Sansibar.
»Da staunst du, was?«, schmunzelte Doro und nannte einem herbeieilenden Kellner ihren Namen. »Noch ist es hier nicht so schwierig wie auf Sylt, einen Tisch zu bekommen, aber es war trotzdem gut, dass ich schon vor einer Woche reserviert habe.« Sie legte ihre Handtasche auf die Bank und setzte sich direkt daneben. Helen und ich nahmen ebenfalls Platz, allerdings mit Blick auf die Elbe und die Strandkörbe, die auf der Terrasse aufgestellt und natürlich bereits besetzt waren. Es war ein lauschiger Frühsommerabend.
»Was haltet ihr von einer Runde Aperol Sprizz als Aperitif, auch wenn dieser Drink angeblich schon out ist und man jetzt Hugo trinkt?«, wollte Helen wissen, während ich noch die Karte studierte und keine Ahnung hatte, wonach mir der Sinn stand.
»Überredet«, erklärte ich kurz entschlossen, und auch Doro nickte begeistert.
»Ist doch vollkommen egal, ob ein Drink in ist oder nicht. Hauptsache, er schmeckt!«
Nachdem wir bestellt hatten, brachten mich meine beiden Freundinnen erst einmal auf den neuesten Stand. Während Doro mit vor Freude glühenden Wangen von Mats erzählte, dämmerte mir allmählich, weshalb wir uns ausgerechnet hier trafen: Doro und Mats hatten immerhin ihr erstes Rendezvous in der Sansibar auf Sylt gehabt!
»Wir wollen übrigens demnächst eine ganze Woche miteinander verbringen und wegfahren«, sagte Doro, der der Aperitif offenbar ein wenig zu Kopf stieg, denn sie war kaum mehr zu stoppen und fantasierte von Kurztrips nach Paris, Barcelona, auf eine Almhütte oder in ein Haus am Fjord.
»Aber wie wollt ihr das anstellen? Hast du deine Kids in ein Internat abgeschoben?«, fragte Helen provokativ und legte ihre Stirn in Falten. »Und was willst du Thomas sagen? Also ehrlich, es ist kaum zu fassen, wie naiv der Mann ist. Oder er ist ein Verdrängungskünstler, wie er im Buche steht.«
Auch mir war etwas unbehaglich zumute, so sehr ich Doro auch ihr Glück gönnte. Man musste sie nur anschauen, um zu sehen, wie gut es ihr ging: Sie hatte abgenommen, ihre Augen funkelten, ihr Teint strahlte, und sie wirkte mindestens fünf Jahre jünger.
Liebe und Sex waren scheinbar wirklich das ultimative Schönheitsmittel, mit dem keine noch so teure Creme mithalten konnte. Dennoch ließ es sich nicht leugnen, dass eine Affäre auf Dauer zum Scheitern verurteilt war, vor allem, wenn man verheiratet war und zwei Kinder hatte. Irgendwann flog die Sache auf.
»Mir fällt schon was ein, keine Sorge«, versuchte Doro lachend alle Bedenken vom Tisch zu wischen. »Und macht euch keine Sorgen um Emma und Nils. Den beiden geht es bestens, seit ihre Mutter verliebt ist und plötzlich Dinge mit ihnen unternimmt, zu denen sie nie Lust hatte. Ob ihr’s glaubt oder nicht: Ich habe neulich gehört, wie Nils zu seinem Freund gesagt hat, dass er eine echt coole Mum hat, die total gechillt ist und kaum Stress macht. Kaum zu fassen, nicht wahr?«
Angesichts Doros guter Laune brachte ich es nicht übers Herz, ihr mit meinen Sorgen und Bedenken den Abend zu verderben.
Vielleicht machte ich mir ja auch zu viele Gedanken, und es gab ein Happy End. Frei nach Adalbert:
Es kommt sowieso alles, wie es kommen soll …
»Und was ist mit dir? Läuft in der Galerie alles glatt?«, fragte Helen, wie immer weitaus mehr an Jobthemen interessiert als an romantisch-verklärten Liebesgeschichten. Ich erzählte von den drei Kandidatinnen, die sich als Assistentin für Jule beworben hatten und die ich morgen in der Galerie treffen würde. Den Termin hatte ich vorsorglich auf Vincents freien Tag gelegt.
»Du machst das schon ganz richtig«, sagte Helen. »Du nimmst dir eine Auszeit, um in aller Ruhe die Weichen neu zu stellen. Offenbar arbeitest du gern in der Küche und verstehst dich gut mit den Syltern. Bea und Larissa erschienen mir schon auf der
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