Inselsommer
Vernissage sehr sympathisch, und wenn du jetzt noch jemand Passenden für die Galerie findest, kannst du dich ganz entspannt zurücklehnen und dir überlegen, wohin deine Reise in Zukunft gehen soll. Und wer hat eigentlich gesagt, dass zum Lebensglück automatisch ein Mann gehört? Wenn ich bedenke, wie stressig mein Job ist, kann ich mir gar nicht vorstellen, wie ich in meiner Freizeit noch jemanden bespaßen sollte. Wir wissen doch alle, wie gern Männer im Mittelpunkt stehen und jemanden brauchen, der sie von morgens bis abends bewundert.«
Erstaunt lauschte ich Helens Monolog. Dass sie lieber heißen Sex hatte, als Hemden zu bügeln, hatte sie immer unmissverständlich klargemacht.
Aber jetzt schlug sie ganz neue Töne an.
»Bedeutet deine flammende Rede etwa, dass du den Gedanken an eine Zweierbeziehung aufgegeben hast und nur noch arbeiten willst?«, fragte ich verwundert. »Es gibt doch nicht nur Männer, wie du sie schilderst. Denk an Patrick. Er hat mich nie als Dienstmädchen oder Animateurin gebraucht, sondern sein Ding gemacht. Er hat ein stabiles Selbstwertgefühl, das nicht durch mich oder eine andere Frau gepusht werden muss. Es wird doch irgendwo in dieser Stadt den einen geben, der zu dir passt und auf Augenhöhe mit dir ist.« Doro verfolgte das Gespräch mit angehaltenem Atem und blickte wie bei einem Tennismatch von mir zu Helen. Doch plötzlich verengten sich ihre Augen.
Eine Sekunde später kannte ich den Grund für ihr seltsames Verhalten: Er hörte auf den Namen Thomas und kam direkt auf uns zu.
»Wa … was machst du denn hier?«, fragte Doro. Die Panik stand ihr ins Gesicht geschrieben, und auch ich fühlte mich mit einem Schlag unwohl.
»Hallo, Thomas, lange nicht gesehen. Magst du dich nicht zu uns gesellen?« Helen setzte eine Unschuldsmiene auf, während meine Gedanken Purzelbäume schlugen. War das purer Zufall, oder spionierte Thomas seiner Frau hinterher?
»Nein danke, Helen, ich muss weiter zum Golfplatz. Ich bin nur gerade hier vorbeigefahren und wollte kurz hallo sagen, als ich euch hier sitzen sah. Also, viel Spaß noch, macht euch einen schönen Abend. Bis dann!«
Mit diesen Worten machte er kehrt und ging zur Straße, wo er seinen Wagen geparkt hatte.
»Verdammt«, hauchte Doro kreidebleich. »Das war gelogen. Thomas geht heute gar nicht golfen, sondern muss auf die Kinder aufpassen. Er wollte kontrollieren, ob ich wirklich mit euch zusammen bin.«
Entsetzt schauten wir drei uns an.
»Er scheint also doch misstrauisch zu sein. Das war dann wohl der berühmte Wink mit dem Zaunpfahl. Und was willst du jetzt tun?«, fragte ich besorgt.
Doro trank einen Schluck aus ihrem Glas und starrte geradeaus.
»Ich schätze, ich muss ihm das mit Mats irgendwann sagen, denn bislang hat Thomas nie auch nur einen Anflug von Misstrauen oder Eifersucht gezeigt. Es wird allerhöchste Zeit, dass ich aus meinem Dornröschenschlaf aufwache und endlich reinen Tisch mache! Aber um es mit Scarlett O’Hara aus
Vom Winde verweht
zu sagen: Verschieben wir es doch auf morgen …«
31 . Kapitel
M eine Bewunderung für dich kennt keine Grenzen«, japste ich am nächsten Tag beim Versuch, mit Helens Tempo Schritt zu halten. Nachdem sie mich heute Morgen um sieben Uhr erbarmungslos aus ihrem Gästebett geworfen hatte, fand ich mich unversehens im Park wieder, verdonnert zum Frühsport.
Helen war der Meinung, dass ich dringend mehr Bewegung bräuchte und heute der ideale Zeitpunkt sei, um damit anzufangen.
»Danke für das Kompliment. Betrachte dies hier ruhig als Ansporn für Sylt, wo man garantiert wunderbar joggen oder walken kann«, entgegnete Helen.
Sie sah in ihrem hautengen, türkisfarbenen Sportdress, mit dem wippenden Pferdeschwanz und dem Pulszähler am Handgelenk absolut profimäßig aus.
Ich hingegen trug Schuhe von Helen, die mir eine Nummer zu groß waren, ausgestopft mit dicken Frotteesocken, und eine ausgeleierte Nickihose, in der ich nur auf der Couch herumlümmelte, wenn mich keiner sah. Auch mein schlabberiges graues Sweatshirt war alles andere als sexy, ebenso wie mein gequältes Geschnaufe.
Ich müsste dringend an meiner Fitness arbeiten.
»Können wir nicht einen Moment Pause machen?«, flehte ich stattdessen, weil ich gerade eine Bank entdeckt hatte, die förmlich meinen Namen rief. »Abgesehen davon, dass ich gleich kollabiere, muss ich dringend mit dir über gestern Abend reden. Nachher bist du nämlich in der Kanzlei, und ich kann mir allein Sorgen um Doro
Weitere Kostenlose Bücher