Inselzauber
Starköchin mit hochrotem Kopf assistiert, versorgen Lisa (die wir für diesen Abend als Aushilfe engagiert haben) und ich die Gäste. Wir servieren nonstop Getränke und später die Gerichte, die Martina Meier und Nele gezaubert haben. Das Café ist bis auf den letzten Platz ausgebucht, es haben sogar Leute an der Bar Platz genommen und verspeisen dort genüsslich ihren Fisch. Aus allen Ecken vernehme ich Komplimente für die kulinarische Vielfalt, mit der die Meeresfrüchte zubereitet sind, und nach dem einen oder anderen Glas Wein läuft endlich auch der Buchverkauf an.
Die Köchin signiert sich die Finger wund, und die Verlegerin macht sich Notizen über die Verkäufe. Ich sehe es ihrem Gesicht an, dass sie mit dem Ergebnis mehr als zufrieden ist. Im Anschluss an die Signierstunde lässt sich Martina Meier von einer Redakteurin des
Sylter Tagesspiegels
interviewen, die über diese Veranstaltung berichtet. Das haben wir Leon zu verdanken, der damit sowohl die Bücherkoje als auch das Möwennest unterstützen will. Er ist zusammen mit Julia gekommen, und ich beobachte die beiden, wie sie zärtlich Händchen halten und sich gegenseitig mit Sushi oder Sashimi füttern. Zweifelsohne sind die beiden ein schönes Paar und wirken glücklich miteinander.
»Ist das nicht ein toller Artikel?«, ruft Birgit Stade begeistert, als Nele, sie und ich uns am nächsten Tag gemeinsam über die Zeitung beugen.
In der Tat – wir sind der Aufmacher auf Seite eins, und in der Rubrik »Sylt persönlich« gibt es jeweils einen größeren Beitrag über die Buchhandlung und das Café, wofür die Redakteurin auch Nele und Frau Stade interviewt hat. Doch der Abend hat uns allen nicht nur positive Presse beschert, sondern auch eine stolze Summe Einnahmen aus den verkauften Büchern, Eintrittsgeldern und dem, was Nele mit Getränken umgesetzt hat.
»Vielleicht sollten wir weiter in diese Richtung denken«, sage ich zu Nele.
Diese starrt derweil überglücklich auf ihr Foto und sieht zum ersten Mal seit Tagen wieder etwas optimistischer aus.
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Kapitel 7
M ann, ich ertrage die Kälte nicht mehr«, schimpfe ich, während die lodernden Flammen der Scheiterhaufen den Strand am Tipkenhoog, einem Grabhügel aus der Steinzeit, erhellen.
Es ist der 21. Februar, der Tag des Biike-Brennens. Ein auf heidnische Opferfeste zurückgehendes Ereignis, das ich eigentlich sehr mag, wären da nur nicht die unbarmherzige Kälte, die einem messerscharf in die Glieder fährt, und der eisige Wind, der über die Insel tobt, bevor der Winter Ende März hoffentlich bald endgültig dem Frühling weichen muss.
»Komm, wir bringen dem Gott der Banken ein Dankesopfer, weil er dich vorläufig verschont hat«, lache ich und proste mit meinem Glühwein Nele und Leon zu.
»Ja, das sollten wir«, antwortet Nele und wirft eine kleine Stoffpuppe in die Flammen. Dann führt sie eine Art Hexentanz auf und umrundet mit Richtung Himmel gestreckten Händen den Holzstoß aus Reisig, Strandgut und Weihnachtsbäumen, während sie merkwürdige Laute von sich gibt. »Hier, besuch deinen Kollegen da oben, der ist auch gleich dran«, höre ich Nele sagen, während die Puppe allmählich Feuer fängt.
In der Tat – oben auf dem Scheiterhaufen wartet eine große Figur aus Lumpen, die den Winter symbolisieren soll, darauf, zu verbrennen.
Es wird Zeit, dass der Frühling kommt, denke ich, während ein Hauch von Wehmut mich erfasst. Zwei Monate bin ich nun schon auf der Insel, in weiteren zwei Monaten sind Bea und Vero wieder da, und ich muss zurück nach Hamburg. Die Zeit hier ist so unglaublich schnell vergangen, dass ich es kaum glauben kann. Ich habe den Eindruck, es ist noch keine Woche her, dass Bea mich am Westerländer Bahnhof abgeholt hat und ich meinen ersten Arbeitstag in der Bücherkoje absolviert habe.
»Komm, Chérie, es ist Zeit zum Grünkohlessen«, holt Nele mich zurück aus meinen sentimentalen Träumereien und zieht mich mit sich.
Dies ist eigentlich mein Lieblingsteil des Biike-Brennens – das traditionelle Grünkohlessen nach dem viel zu langen und viel zu kalten Aufenthalt am Strand.
Nele, Leon und ich sind mit ein paar Leuten verabredet, darunter auch Valentin Kremer und Julia, die noch auf der anderen Seite der Insel für einen Fernsehsender über die Biike-Feuer berichtet und direkt zur Alten Friesenwirtschaft fahren will, wo wir einen großen Tisch reserviert haben. Auch Timo scheint froh zu sein, endlich in die Wärme zu kommen, und springt
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