Inselzauber
freudig bellend auf die Rückbank des Jeeps, während Nele auf dem Beifahrersitz Platz nimmt.
In den vergangenen Wochen und nach den gemeinsam bestandenen Abenteuern sind Nele und ich tatsächlich so etwas wie Freundinnen geworden. So unterschiedlich wir auch sind, so sehr mögen wir uns, auch wenn die eine die andere nicht unbedingt immer versteht oder gutheißt, was diese macht. Ich habe hin und wieder mit Neles chaotischer Art meine Probleme, und sie findet mich zeitweise zu brav und spießig. Wobei sie den Begriff »spießig« liebevoll gebraucht und ich genau weiß, wie sie es meint und wie gern sie mich hat.
Nele hat aufgrund der Finanzspritze ihrer Eltern bei ihrem Vermieter erst mal einen Aufschub von drei Monaten bekommen und sich auch mit ihrer Bank zumindest vorläufig geeinigt. Sie hat zwar nach wie vor Schwierigkeiten damit, dass ihre Eltern für ihren Kredit bürgen, andererseits hätte sie keine andere Wahl gehabt, außer Insolvenz anzumelden. Doch obwohl die größten Probleme fürs Erste aus dem Weg geräumt sind, ist klar, dass Nele und ihr Café noch lange nicht über den Berg sind.
Es ist erst ein paar Tage her, dass ich mittags zu meiner Freundin ins Café gegangen bin, um dort eine Suppe zu essen, und miterleben musste, wie der Bierlieferant seine Ladung laut fluchend wieder mitnahm, weil Nele nicht genug Bargeld hatte, um die Rechnung zu begleichen. Seine Firma hatte ihm wohl Order gegeben, Nele nur noch gegen Barzahlung zu beliefern. Bedauerlicherweise war ich nicht die einzige Zeugin der Szene, denn das Café war gut besucht. Mit hochrotem Kopf rannte Nele in die Küche und weinte dort bitterlich. Sie war kaum zu beruhigen und weigerte sich fast eine halbe Stunde, wieder herauszukommen. Um die Situation nicht zu verschlimmern, übernahm ich so lange das Bedienen der Gäste, bis Nele sich wieder etwas beruhigte.
Seit diesem Vorfall ist meine Freundin immer noch auf der Suche nach einem neuen Lieferanten, was nicht besonders einfach ist, da sich ihre Zahlungsschwierigkeiten mittlerweile in der Branche herumgesprochen haben. Momentan gibt es daher kein Bier im Möwennest, eine ungute Situation, die in der Gastronomie natürlich fatale Folgen haben kann.
Bea und Vero lassen es sich auf ihrer Reise immer noch gutgehen und machen mittlerweile Australien unsicher, worum ich sie absolut beneide, weil ich für mein Leben gern einmal Tiere wie Koalas, Kängurus und vor allem Wombats in freier Wildbahn sehen möchte. Vero kommt offenbar bestens mit ihrer Ängstlichkeit klar und hat zumindest bislang noch nicht auf Rückreise gedrängt. In regelmäßigen Abständen bekomme ich Postkarten oder SMS von den beiden und wünschte einmal mehr, dass Bea sich der modernen Technik öffnen möge. Dann könnte sie wenigstens ab und zu eine E-Mail aus einem Internet-Café oder vom Schiff aus schicken. Die Tatsache, dass die beiden wenigstens ein Handy dabeihaben und damit umgehen können, haben sie – und damit auch ich – allein Veros Tochter zu verdanken, die darauf bestanden hat, die Damen mit einem Mobiltelefon auszustatten, und es ihnen daher zu Weihnachten geschenkt hat.
Im Anschluss an Australien geht es weiter nach Asien, wo die beiden sich einer Ayurveda-Kur unterziehen wollen. Beim Gedanken an die rundliche Vero, wie sie mit ihrem Dutt auf der Liege eines Ayurveda-Gurus liegt und sich heißes Öl auf die Stirn gießen lässt, muss ich schmunzeln. Ich kann mir wirklich vieles vorstellen, aber nicht die Freundin meiner Tante, wie sie auf exotischen Pfaden wandelt. Schließlich stapft sie sonst vorzugsweise mit Gummistiefeln durch ihren Gemüsegarten. Ich sehe sie schon im Geiste mit einer aufwendigen Mendhi-Bemalung zurückkommen, die Haare mit Henna gefärbt, eine Yoga-Matte unterm Arm und Sinnsprüche von Deepak Chopra auf den Lippen, über den Hof schreiten und den Kuhstall nach Feng-Shui-Prinzip umgestalten.
Nun sitzen wir also alle im Restaurant und bestellen deftigen Grünkohl mit süßen Kartoffeln und allem, was dazugehört. Ein unglaublich schweres Essen, das man gemäß der Biike-Tradition mit einem kräftigen Schluck Feuerwasser, in diesem Fall eiskaltem Aquavit, bekämpft. Die Runde ist lustig und aufgekratzt, und ich beobachte zum ersten Mal, seit ich Nele kenne, dass sie Valentin Kremer doch mehr mag, als sie es bislang zugegeben hat. Wie eine Katze schmiegt sie sich in seine Arme (fehlt nur noch, dass sie zu schnurren beginnt!) und lauscht aufmerksam jedem seiner Worte. Valentin
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